Emotion fern der Heimat: Syrer feiern am Sonntag mit Flaggen der Republik auf dem Odeonsplatz in München den Sturz des Assad-Regimes. Auch in vielen anderen deutschen Städten gab es spontane Kundgebungen. © Thomas Vonier/SZ-Photo
München – In ganz Europa haben syrische Flüchtlinge den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad gefeiert. In München, Berlin und Aschaffenburg gingen am Sonntag Tausende auf die Straße. Allein am Odeonsplatz in München versammelten sich nach Angaben der Polizei am Abend rund 6000 Menschen. Am Berliner Oranienplatz waren es etwa 5000, die unter lautem Jubel Syrien-Fahnen schwenkten.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte den Sturz Assads als „gute Nachricht“. Der Diktator habe „sein eigenes Volk auf brutale Weise unterdrückt, unzählige Leben auf dem Gewissen und zahlreiche Menschen zur Flucht aus Syrien getrieben“. Laut Statistischem Bundesamt leben 972460 Syrer in Deutschland. Scholz forderte, dass „schnell Recht und Ordnung wiederhergestellt werden“. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, das Land könne „in die Hände anderer Radikaler“ fallen. US-Präsident Joe Biden bezeichnete Assads Sturz als „Akt der Gerechtigkeit“. Der Ex-Machthaber müsse zur Rechenschaft gezogen werden. Russland beantragte für heute eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats.
Russische Nachrichtenagenturen berichteten, dass Assad und seine Familie nach Moskau geflohen seien, wo ihnen „aufgrund humanitärer Erwägungen“ Asyl gewährt worden sei. Der Einnahme von Damaskus war ein rasanter Vormarsch der Regierungsgegner vorangegangen. Sie verlasen eine Erklärung, wonach „alle zu Unrecht Inhaftierten“ freigelassen werden. Abu Mohammed al-Dscholani, der Anführer der islamistischen HTS-Miliz, traf am Sonntagnachmittag in der Hauptstadt ein. Bis Montagmorgen wurde dort eine Ausgangssperre verhängt.
Vor allem die benachbarte Türkei erhofft sich eine Rückkehr vieler syrischer Flüchtlinge in die alte Heimat. Berichten zufolge machten sich bereits hunderte syrische Flüchtlinge aus dem ebenfalls benachbarten Libanon auf den Rückweg. Auch in Deutschland beginnt eine Debatte. Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz forderte bereits einen Aufnahmestopp. „Deutschland kann keine weiteren syrischen Flüchtlinge aufnehmen“, sagte die CSU-Politikerin. „Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt.“
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