Zur Berichterstattung über Äußerungen des Aiblinger CSU-Stadtrats, der das Adoptionsrecht für Homosexuelle infrage gestellte hatte (Regionalteil):
Oft lese ich, wir queeren Menschen sollten uns nicht über rauen Gegenwind wundern, wenn wir unsere Sexualität, die doch privat sei, so in die Öffentlichkeit drängten. Dabei war Heterosexualität nie ,,privat“. Jeder Ehering, jede Hochzeit (bis zur „Ehe für alle“) ist eine Zurschaustellung von Heterosexualität, ebenso öffentliches Händchenhalten, das Mitbringen des Partners zur Firmenfeier und so weiter.
Ja, ich wünschte auch, meine Orientierung würde nicht durch die Arena getrieben. Aber solange in dieser Welt queere Menschen alleine aufgrund ihrer Sexualität auf dem Schulhof verspottet, verprügelt, verstoßen, kriminalisiert oder in einigen Ländern sogar hingerichtet werden, habe ich als queerer Mensch keine Wahl. Unsere Sexualität wird unserer persönlichen Sphäre entrissen und als Rechtfertigung für Gewalt und Ausgrenzung benutzt.
Ich bin unendlich dankbar über die großen Verbesserungen. Aber auch heute und bei uns werden Jugendliche von ihren Familien verstoßen, Paare auf der Straße bespuckt. Anderswo werden queere Menschen öffentlich gehängt. Wie könnten wir da nicht energisch für unsere Würde und für gleiche Rechte streiten und die Hoheit über unsere Sexualität laut zurückfordern?
Ich appelliere an die Empathie: Über Jahrhunderte mussten wir uns verleugnen. Angst vor Vernichtung und Beschämung über unsere schiere Existenz haben sich kollektiv auf unsere Seelen niedergeschlagen. Veranstaltungen wie der CSD sind – neben dem politischen Aspekt – auch unser Versuch, Angst und Scham hinter uns zu lassen, aus den Schatten der Vergangenheit zu treten und uns gegenseitig feierlich in der Berechtigung und Schönheit unserer Existenz zu bekräftigen. Wir marschieren auch für die Menschen in den Ländern, wo das mit dem Leben bezahlt würde. Vielleicht erübrigt sich dies irgendwann; aber noch ist es nötig.
Johannes Mittermair-Block
Unterreit