Waldkraiburg – Dabei zeigte sich, dass es in Fragen der Ökumene durchaus Unterschiede gibt, wie sie vor Ort gepflegt und wie sie von der Amtskirche propagiert wird. „Wir können es vielleicht in der Familie einfacher leben“, meinte eine Zuhörerin, die selbst katholisch ist, während ihr Mann evangelisch ist, „weil wir nicht so viel wissen wie die Theologen.
„Ich habe herumgefragt und festgestellt, dass wir sehr wenig voneinander wissen“ Bürgermeister Alois Salzeder
Aschaus Bürgermeister Alois Salzeder, der zusammen mit Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötzsch die Diskussion leitete, erzählte, er habe sich in den vergangenen Tagen umgehört und festgestellt, dass die Menschen beider Konfessionen relativ wenig über die jeweils andere wissen. So wundert er sich immer, dass es in der evangelischen Kirche keine Ministranten gibt und nicht bei jedem Gottesdienst ein Abendmahl.
Der evangelische Pfarrer Lars Schmidt erläuterte, dass die Aufgabe des Messdieners seit der Reformation weggefallen sei. Pater Stiegler betonte, dass es zumindest in der Lehre bei den römisch-katholischen Christen und den Lutheranern seit 1999 einen breiten Konsens gebe.
Hier entgegnete Pfarrer Schmidt aber, dass beide Konfessionen ein unterschiedliches Verständnis des Priesteramtes haben. So wird ein evangelischer Priester quasi von den Gläubigen eingesetzt, ein katholischer Pfarrer wird vom Bischof geweiht. Er habe zudem eine höhere Wertigkeit als „normale Gläubige“. Er meinte, dass die katholische Kirchenlehre hier Einiges verbiete. Er räumte aber auch ein, dass das, was vor Ort in Sachen Ökumene geschehe, auf einem anderen Blatt stehe.
Bei einem Blick in die Runde der Zuhörer, die etwa zur Hälfte katholisch oder evangelisch und eher reiferen Alters waren, fragte Bürgermeister Pötzsch, wie es heute mit der kirchlichen Bildung von Kindern ausschaue. Kirchenreferent Michael Wagner bedauerte, dass es heute nicht mehr selbstverständlich sei, dass Kinder beten können, wenn sie in die Schule kommen und Pater Stiegler ergänzte, dass die Glaubensvermittlung nicht mehr so selbstverständlich sei.
Kirchen müssen für die Menschen wieder interessant werden
Das ist aber ein überkonfessionelles Problem und Bürgermeister Salzeder rief die beiden Kirchen auf, sie müssten sich reformieren, um für die Menschen wieder interessant zu werden. Er habe, überspitzt, den Eindruck, dass sich derzeit viele lieber der Esoterik, Sehern oder Kartenlegerinnen zuwenden. Gleichzeitig forderte er eine Veränderung von der Basis her. „Ökumenisch kann auch heißen, dass ein katholischer Pfarrer bei evangelischen Gläubigen einen Gottesdienst hält und umgekehrt“, gab er als Denkanstoß.
Die jüngeren Generationen sprach dieses Thema offensichtlich gar nicht an. „Jugendliche sind soweit weg, dass sie die Frage nach katholischen oder evangelischen Christen gar nicht kratzt“, so Pater Stiegler.
Pater Stiegler bedauerte, dass zu lange die Gegensätze betont wurden. Gleichzeitig hob er die ökumenischen Aktionen vor Ort hervor und nannte unter anderem das gemeinsame Weihnachtsfest am Heiligen Abend im Stadtpark oder die Gräbersegnung an Allerheiligen mit Weihwasser von einem evangelischen Pfarrer. Das seien kleine Zeichen eucharistischer Gastfreundschaft. Auch Papst Franziskus sei ein Meister der kleinen einigenden Zeichen. Gleichzeitig versicherten er und Lars Schmidt, dass die Kirchen sich immer wieder neu orientieren. „Wir müssen unseren Glauben offen zeigen und ihn nicht verstecken. Das gilt vor allem im Alltagsleben“, so Pfarrer Schmidt. Pater Stiegler ergänzte, dass die Kirche auch gegen die Mehrheitsmeinung Stellung beziehen müsse. Gerade heute, wo sich immer mehr eine egoistische Gesellschaft herausbildet.
Die Vision vom Papst als Sprecher aller Christen
Daher würde er sich auch wünschen, dass sich alle Christen – egal ob katholisch, evangelisch oder orthodox – dazu durchringen könnten, den Papst als „Sprecher aller Christen“ anzuerkennen. Er wäre dann der Sprecher von rund 2,5 Milliarden Menschen und sein Wort hätte entsprechendes Gewicht. Doch da spürte man schon, dass da noch ein weiter Weg ist, denn Pfarrer Schmidt argumentierte sofort, dass man den Papst aus evangelischer Sicht nur anerkennen könne, wenn er demokratisch gewählt wäre. Die Wahl durch die Bischöfe ließ er dabei nicht gelten.
Bürgermeister Salzeder meinte ganz pragmatisch: „Es liegt an uns Christen, den Glauben zu leben. Wenn wir uns vereinen, werden davon die Kirchen auch nicht voller“. Aus den Reihen der Besucher war zu hören, das Christentum habe Werte, wenn man die gemeinsam verfolge, brauche man keinen Papst.
Bürgermeister Pötzsch sprach einen ganz anderen Aspekt an; den Umgang mit dem Islam. Einig war man sich, dass man zwischen Islam und Islamismus unterscheiden müsse. Pater Stiegler ist überzeugt, dass man durch Bildung friedfertige Muslime schaffen könne und Pfarrer Schmidt ergänzte, dass die Menschen die Angst vor dem Fremden überwinden müssten.
Allerdings wurde aufgezeigt, dass es neben der theologischen auch eine politische Wirklichkeit gebe. Dass Christen in vielen islamischen Ländern unterdrückt und an ihrer Glaubensausübung gehindert werden. Dennoch forderte Pater Stiegler Toleranz: „Wenn wir das Gute tun, werden wir uns auch durchsetzen“.