Kraiburg – 2015 wurde das alte Freibad auf Anraten des Gesundheitsamtes geschlossen. Seitdem beschäftigen sich Bürgermeister und Gemeinderat intern mit der Frage, ob und wie es mit einem öffentlichen Bad im Markt weitergeht. Expertisen und Angebote mehrerer Planer wurden eingeholt, Naturbäder besichtigt, eine Unterschriftenaktion gestartet, laut der sich etwa 80 Prozent der Teilnehmer ein Naturbad vorstellen können. Mittlerweile liegt zudem ein Lärmschutzgutachten und eine Grobplanung für eine mögliche Verlagerung des Bades um etwa 100 bis 150 Meter in nördlicher Richtung vor.
Technisches Bad für den Markt Kraiburg nicht finanzierbar
Darüber informierten Bürgermeister Dr. Herbert Heiml und Vertreter der Verwaltung in der Gemeinderatssitzung. Einziger Tagesordnungspunkt: die Zukunft des Bades. Wie wichtig vielen Kraiburgern ein Bad ist, zeigt die Tatsache, dass über Hundert Bürger in die Remise kamen, um ihre Meinung und ihre Fragen einzubringen.
Schnell war Konsens herzustellen, dass ein künftiges Bad nur ein Naturbad sein kann. Die Zahlen, die der Bürgermeister und Markus Schmidinger vom Bauamt für die Sanierung, beziehungsweise Erneuerung eines technischen Bades vorlegten, lassen keine Alternative zu. Zwischen 1,1 und 2,6 Millionen Euro liegen die Kosten demnach, wenn das Bad ertüchtigt würde (bei einer Beckenauskleidung mit Edelstahl), selbst bei einer kleineren Variante (33 Meter-Becken) geht es um einen siebenstelligen Betrag. Das ist für den Markt nicht finanzierbar.
Ein Naturbad für 430000 Euro?
Die Kosten für ein Naturbad sind deutlich niedriger. Laut Bürgermeister Heiml liegen die Herstellungskosten je nach Ausführung bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte eines technischen Bades, der Unterhalt zwischen 20 und 40 Prozent. Für etwa 430000 Euro soll das Naturbad in Kraiburg laut Kostenschätzung eines Büros realisierbar sein (300000 Euro für Badeteichanlage, 130000 Euro für Regenerationsteich). Dazu kommen die Außenanlagen.
Bereits in der Juli-Sitzung des Gemeinderats war der Bürgermeister mit der Idee an die Öffentlichkeit gegangen, das Naturbad in nördlicher Richtung zum Inn zu verlagern (wir berichteten). Der Großteil der Fläche gehört der Gemeinde, ein Teil dem Wasserwirtschaftsamt, das den Plänen gegenüber offen sei. Dort könnte nach Heimls Worten eine schöne Freizeitanlage entstehen, mit einem 450 Quadratmeter großen Badeteich, Nichtschwimmerbereich, Kleinkinderbecken und 5500 Quadratmetern Liegewiese. Der bestehende Kiosk und die Sanitäranlage samt 2700 Quadratmetern Liegewiese südlich davon sollen Teil der gesamten Anlage sein und durch einen Weg mit der Teichanlage verbunden sein.
Kann sich der Markt ein Naturbad leisten? Kämmerer Fred Mittermaier sprach von einem „schwierigen Haushaltsjahr 2018“. Er listete für die 2017 und 2018 Investitionen für insgesamt fünf Millionen Euro auf: neben der Sanierung des Bischof-Bernhard-Hauses den Hochwasserschutz, den Breitbandausbau, die Ausweisung des Wasserschutzgebietes und den Notverbund für die zentrale Wasserversorgung. Für die Erschließung des Baugebiets „Kumpfmühle“ müsse der Markt in Vorleistung gehen, die Erschließung des Baugebiets „Jettenbacher Straße“ sei in dieser Investitionsplanung noch nicht berücksichtigt. Mittermaier rechnet mit einer Finanzierungslücke von etwa 2,1 Millionen Euro, die eine Darlehensaufnahme von 1,3 Millionen erfordere und eine zusätzliche Rücklagenentnahme von 800000 Euro. Der Schuldenstand steige bis Ende 2018 auf fast 4,5 Millionen Euro.
Ein Baugebiet zur Gegenfinanzierung?
Zur Gegenfinanzierung des Bades setzt Bürgermeister Heiml (CSU) deshalb darauf, einen Teil des bestehenden Bades als Wohngebiet auszuweisen. Der Trend gehe zur Innenraumverdichtung, ehe man Flächen außerhalb entwickelt. Neun bis zehn Parzellen haben in dem 6400 Quadratmeter großen Baugebiet Platz. Im Bebauungsplan ließen sich erforderliche Auflagen in Sachen Lärmschutz festlegen, so Heiml.
Schallschutzgutachten vorgestellt
Das Schallschutzgutachten, das die Gemeinde in Auftrag gegeben hat, empfiehlt eine Realisierung des Naturbades aus immissionsschutzrechtlichen Gründen im nördlichen Bereich. Der Sachverständige Gutachter kommt darin zu dem Ergebnis, dass dem genannten Wohngebiet auch der benachbarte Fußballplatz nicht im Wege steht. Allerdings, das wurde im Laufe der Diskussion deutlich: Der Gutachter schätzt den Standort im Norden zwar günstiger ein, doch am alten Standort im Süden wird der Immissionsrichtwert ebenfalls nicht überschritten.
Alfons Wastlhuber (UWG) und Werner Schreiber (SPD) gehen davon aus, dass die Kosten für eine Anlage im nördlichen Bereich höher liegen, unter anderem weil das Gelände aufbereitet und hergerichtet werden müsste.
Klares Votum für bestehenden Standort
Klar gegen Heimls Variante sprach sich Zweite Bürgermeisterin Annette Lehmann (UWG) aus. Sie favorisiert den alten Standort, „ein tolles Areal“, das mit Schatten- und Sonnenplätzen ideale Voraussetzungen für alle Nutzergruppen biete. Der Alternativ-Standort im Norden liege im Überschwemmungsgebiet. „Einfach nur den Aushub zum Damm aufzuschütten, das wird nicht gehen.“ Ein guter Schutz sei teuer. Bei einer Überschwemmung, so fürchtet sie, sei die Liegewiese die ganze Saison nicht mehr zu nutzen. Lehmann bemängelt, dass das Bad durch die Trennung vom Sanitärgebäude keine Einheit mehr ist. Das geplante Baugebiet unterbreche zudem den Grüngürtel und es bringe zusätzlichen Verkehr in die Jahnstraße, die schon jetzt in der Diskussion sei. Selbst wenn sich gewisse Auflagen im Bebauungsplan festschreiben lassen, sei in Sachen Lärmschutz der Ärger vorprogrammiert, schloss Lehmann unter starkem Beifall.
Für wenig überzeugend hält der Bürgermeister die Hinweise auf den Grüngürtel und den zusätzlichen Verkehr (höchstens 20 Autos). Auch die Überschwemmungsproblematik schätzt er nicht so kritisch ein. Der Großteil des Bereichs im Norden sei auf dem Niveau des bestehenden Kiosks und der Umkleiden.
Die Bürger im Saal überzeugte er damit nicht. Mehrere von ihnen äußerten sich kritisch, insbesondere im Blick auf das Baugebiet. So fürchten die Sportler erhebliche Beeinträchtigungen für den Sportbetrieb auf den benachbarten Fußballplätzen. Als nicht attraktiv bewertet etwa Gemeinderat Adrian Hilge (SPD) die Bauflächen. Erich Unterforsthuber (UWG) ist gegen die Ausweisung eines Baugebiets, selbst wenn dort kein Schwimmbad entstehe. Er will die Fläche dann für andere Zwecke aufbewahren (zum Beispiel eine neue Turnhalle). Franz Kifinger sprach gar von einem „Schildbürgerstreich“. Ein anderer Bürger bat darum, die Auswirkungen eines Baugebiets und einer Stichstraße auf die Stabilität des Hangs zu prüfen.
Finanzierung durch Grundverkauf?
Ernst Kirmeier bewertet die Haushaltslage zwar nicht rosig, aber auch „nicht so düster“. Durch den Verkauf der Parzellen in den neuen Baugebieten (Kumpfmühle) komme wesentlich mehr Geld herein, als die Gemeinde für die Erschließung aufwendet. „Mittelfristig ist die Situation nicht so schlecht.“ Zudem habe die Gemeinde ein Vermögen an Grundstücken, vier Hektar Ackerland, das zur Finanzierung verkauft werden könnte. Kirmeier: Es brauche kein Bauland auf dem Badgelände zur Finanzierung des Naturbads.
Sein Fraktionskollege Wastlhuber verwies auf die Chance auf öffentliche Fördermittel, vom Freistaat und vom Landkreis.
Anton Voglmaier (CSU) lehnt den Verkauf von Ackerflächen („Tafelsilber“) ab. Er stellte sich klar hinter den Vorschlag Heimls. Das Baugebiet werde zur Gegenfinanzierung gebraucht. Der Hochwasserschutz lasse sich mit dem Aushub kostengünstig regeln, glaubt er.
Während sich aus SPD- und UWG-Fraktion kein Gemeinderat für den Standort Nord samt Baugebiet aussprach, signalisierte Dritte Bürgermeisterin Anneliese Schuster, dass die meisten CSU-Mitglieder im Rat ihre Meinungsbildung in diesen Fragen noch nicht abgeschlossen haben.
Nur vereinzelt wurde die Frage noch einmal aufgeworfen, ob es überhaupt eine Mehrheit für ein Bad in Kraiburg gibt. Petra Jackl (UWG) oder Erich Unterforsthuber (UWG), die dem Bad nicht ablehnend gegenüberstehen, äußerten sich vorsichtig in diesem Sinne. Und mit Michael Hefer erteilte sogar einer der Zuhörer mit Blick auf die Finanzlage dem Bad eine Absage. „Auch wenn es schön wäre“, sollte man lieber drauf verzichten“, so seine Minderheitenmeinung an diesem Abend.