Waldkraiburg – Es ist ein Ringen um die Zukunft Waldkraiburgs: Die einen können und wollen sich nicht vorstellen, dass in Waldkraiburg weitere Waldflächen für Industrie und Gewerbe geopfert werden, die anderen sorgen sich um die Entwicklungsfähigkeit der Stadt.
Zu Letzteren gehört Bürgermeister Robert Pötzsch. der am Donnerstag, 12. September zu einer Bürgerinformationsversammlung mit Podiumsdiskussion ins Haus der Kultur einlädt. Um 19 Uhr soll es dann um den Themenkomplex Stadtentwicklung und Naturschutz gehen.
Mit allen Interessensgruppen und der Kommunalpolitik will der Bürgermeister an diesem Abend über diese grundlegende Problematik ins Gespräch kommen, die auch weitere Flächenausweisungen betrifft.
Anlass ist der Konflikt um Waldfläche an
der Daimlerstraße
Aktueller Anlass dafür ist der Konflikt um ein 18100 Quadratmeter großes Waldgrundstück zwischen dem Gewerbegebiet nördlich der Daimlerstraße und der sogenannten Schilcherlinie. Die Stadt will die Fläche für die Gewerbeentwicklung freigeben. Ein weiteres Schalthaus der Stadtwerke, das dringend gebraucht werde, um die Stromversorgung des Gewerbegebiets sicherzustellen, sowie Erweiterungsmöglichkeiten für zwei Unternehmen sollen damit laut Pötzsch geschaffen werden.
Eine entsprechende Änderung des Bebauungsplanes und des Flächennutzungsplanes, die aus der Waldfläche eine Misch- und Gewerbefläche machen soll, ist im Verfahren. Ehe es mit weiteren Beratungen im Stadtentwicklungsausschuss und Stadtrat im Herbst fortgesetzt wird, soll es am 12. September den Austausch mit den Bürgern geben.
Gegen die Pläne, die bislang eine Mehrheit des Stadtrates unterstützt, machen Anwohner, Klima- und Naturschützer mobil. Sie wollen die Umwandlung des Waldstücks verhindern. Seit Wochen werden Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt.
Am 7. September soll Bürgerinitiative gegründet werden
Und jetzt haben die Kritiker angekündigt, eine Bürgerinitiative unter dem Namen „Waldkraiburg – Stadt im Grünen?“ zu gründen. Eine Sprecherin ist Irmgard Pöschl-Moser, die in der Nähe der strittigen Waldfläche wohnt. Zunächst war diese Gründungsversammlung am 14. September angesetzt. Nachdem die Stadt ihre Informationsversammlung für den 12. September ankündigt hatte, verlegten die Gegner die Gründung der Bürgerinitiative um eine Woche vor: auf Samstag, 7. September, um 19 Uhr in der Taverne Korfu.
Gegner kritisieren: Fragwürdige Wachstumsinteressen
In einer Pressemitteilung bekräftigen die Gegner ihr Ziel, die Rodung des Areals zu verhindern und sich für den Erhalt bestehender Waldflächen im Stadtgebiet einzusetzen. Kritisiert wird eine „intransparente Herangehensweise der Stadt“. Die Informationen zu den Ausgleichsflächen und den konkreten Zwecken der geplanten Gebäude seien unklar, heißt es in der Presseerklärung. Die Anwohner der strittigen Waldfläche seien nicht ausreichend miteinbezogen und informiert worden.
Die Bürgerinitiative wird neben Privatpersonen von der „FridaysForFuture Kreisgruppe Mühldorf“, „Die Linke. Basisgruppe Waldkraiburg“ und dem Ortsverband „Bündnis90/Die Grünen“ unterstützt. Zuletzt hatte die „Fridays for Future“-Kreisgruppe Mühldorf in einem offenen Brief Bürgermeister und Stadt massiv kritisiert, weil die Zerstörung dieses Waldstücks „fragwürdigen Wachstumsinteressen“ diene, ein Naherholungsgebiet zerstöre sowie den Puffer zwischen Industrie- und Gewerbegebiet und einer Wohnsiedlung (wir berichteten).
Bürgermeister: Die Schilcherlinie wird nicht angetastet
Bürgermeister Robert Pötzsch weist die Vorwürfe zurück. „So transparent wie in den letzten Jahren hat noch keine Verwaltung in Waldkraiburg gearbeitet.“ Im übrigen werde die 50 Meter breite Schilcherlinie nicht angetastet. Sie bleibe in der Breite bestehen, in der sie auch zwischen Teplitzer Straße Daimlerstraße verläuft. „An die Schilcherlinie will niemand ran. Sie soll weiter ein Schutzschild zwischen Industrie- und Wohnbebauung sein.“
Er will die Diskussion um den Grünstreifen an der Daimlerstraße nicht isoliert betrachten. Es gehe um eine ganzheitliche Sicht, letztlich um die Fragen: Wie kann, wie soll sich Waldkraiburg entwickeln? Es gehe um künftige Wachstumsstrategien, im Bereich der Industrie ebenso wie bei der Wohnbebauung und Ausweisung von Baugebieten. Fast immer sind in Waldkraiburg wertvolle Waldflächen betroffen. Ob im Industriegebiet oder bei kleineren Flächen nördlich des Feuerwehrzentrums oder am Festplatz. Das macht die Abwägung zwischen Stadtentwicklung einerseits und Eingriffen in die Natur so schwierig.
Waldkraiburger Firmen brauchen Entwicklungsflächen
Beim Grünstreifen nördlich der Daimlerstraße ist die Firma Netzsch betroffen, die die Fläche braucht, um sich im Bereich von Werk II an der Geretsrieder Straße entwickeln und den Standort an der Liebigstraße aufgeben zu können. Das sei eine große Entlastung für das dortige Umfeld.
Der Bürgermeister erinnert daran, dass noch vor zwei Jahren eine Absiedlung von Netzsch nach Kirchdorf im Gespräch war. Niemand sollte sich darauf verlassen, dass die Unternehmen wie selbstverständlich am Standort bleiben. „Da müssen wir wahnsinnig aufpassen.“ Zuletzt sei die Primo GmbH Waldkraiburg nach Aschau abgewandert, weil für eine Erweiterung keine Flächen zur Verfügung standen, so Pötzsch.
Pötzsch: 320 junge Familien warten auf Baugrundstück
Und der Bürgermeister lässt keinen Zweifel offen: Der Bedarf der Industrie geht über die Fläche, über die aktuell so heftig gestritten wird, hinaus. Die Stadt müsse den Waldkraiburger Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Weitere Flächenausweisungen in Richtung Norden im Anschluss an das bestehende Gewerbe- und Industriegebiet nördlich der Daimlerstraße bis zum Wasserschutzgebiet hält er deshalb für unabdingbar. Für eine Absiedlung etwa der Firma Atoma aus der Stadtmitte, die schon seit Jahren im Gespräch ist, sei dies eine Voraussetzung. Auch andere Unternehmen haben nach seinen Worten Bedarf angemeldet. Weitere Flächenausweisungen für die industriellen Großbetriebe könnten notwendig werden. Pötzsch: „Es geht um Entwicklung in einem vernünftigen Maß. Sonst würden wir uns selbst blockieren.“
Nicht nur bei der Industrie, auch bei der Wohnbebauung bestehe Handlungsbedarf. Rund 320 junge Familien stehen nach seinen Worten auf einer Warteliste für ein Baugrundstück in der Stadt, manche schon seit Jahren. Das Baugebiet West könnte für viele die Chance auf ein Eigenheim bieten. Die Stadt sei sich mit den Eigentümern einig, dass dort eine Bebauung kommen soll. Die Vorbereitungen für eine Bauleitplanung laufen. Wieder geht es aber um eine Waldfläche.