Haag –Er ist ein Freund des Bibers: Karl-Michael Günsche. Der 65-Jährige aus Haag engagiert sich ehrenamtlich als Naturschützer und ist als Biberberater für den Landesbund für Vogelschutz Inn-Salzach (LBV) unterwegs. Die Nager liegen ihm am Herzen. Er trägt dazu bei, Lösungen zu finden, wenn der Biber mit den Menschen in Konflikt gerät, etwa weil er Landwirte beeinträchtigt.
Auch in Sachen Haager Störche macht er sich stark; etwa bei der Umsiedlung von einem einsturzgefährdeten Kamin zu einer Vorrichtung am Dach des Rathauses (wir berichteten). Ob Familie Adebar ihr neues Domizil angenommen hat? „Bislang leider noch nicht“, schüttelt Günsche den Kopf. Die Macht der Gewohnheit hält die Tiere auf ihrem alten baufälligen Kamin. Dieser muss jedoch weg. „Wir versuchen, das alte Nest noch zu halten.
Klimaumschwung schon in den
60ern ein Thema
Die Jungen sollen noch so lange wie möglich drin bleiben – bis sie fliegen können“, sagt der Haager. Mitte Juli dürfte es soweit sein. Ersatzquartiere stehen in der Nähe bereit. „Unsere Gemeinde steht zum Glück hinter uns. Die ist sehr storchenfreundlich“, freut sich Günsche.
Für Umwelt und Natur hat er sich schon immer begeistert. Seine Großmutter und sein Vater waren sehr naturverbunden. Das hat sich auf ihn übertragen. Er erinnert sich an das Buch von der Biologin Rachel Carson aus dem Jahr 1962, „Der stumme Frühling“, das den Klimaumschwung voraussagte. „Damals sah jeder dieses Buch als Schwarzmalerei an. Etwas weniger als 20 Jahre nach Kriegsende wollten die Menschen erst einmal alles genießen. Heute hat sich die Prophezeiung in diesem Buch leider bewahrheitet.“ Anfang 2000 seien die Menschen erstmals in den Nachrichten mit dem Thema Klimaveränderung konfrontiert worden. Damals hieß es, so erinnert Günsche, dass sich das Klima in etwa 60 Jahren dramatisch verändern wird. Dabei dauerte es keine zehn Jahre.
Als er in Rente ging, wollte er sich im Bereich Naturschutz engagieren. Das tut er heute als Biber-, Wespen- und Hornissenberater und engagiert sich für die Vogelwelt. Ein Kollege, der selbst Biberberater war, „steckte ihn an“. Ein Lehrgang an der Akademie für Natur- und Landschaftsschutz folgte. Wenn er begeistert von diesem „Job“ berichtet, spürt man, wie viel Herzblut er da reinsteckt. Weil ihm die Natur so viel bedeutet.
Umso größer ist sein Bedauern darüber, was die Menschen aus der Natur machen: einen Erlebnispark. Die Natur wird konsumiert und der Lebensraum von Tieren und Pflanzen durch Menschen zerstört. Sehr viele Tierarten seien vom Aussterben bedroht oder sogar schon ausgerottet.
2017 wurde Karl-Michael Günsche offiziell vom Landratsamt als Biberberater benannt. Seither kümmert er sich um alles, was mit dem kleinen Holzfäller zu tun hat. Wenn der Nager mal wieder landwirtschaftliche Flächen flutet – zum Leidwesen der Bauern – ist Günsches Einsatz gefragt. Die Baupläne des Bibers passen nicht immer mit den Interessen der Menschen überein. „Ich betreibe Bibermanagement“, erklärt Günsche. Richtet der Biber Schaden an, führt Günsche Gespräche mit den Beschwerdeführern, dem Bürgermeister oder den Bauhofleitern. Er begutachtet, macht eine Schadensaufnahme, berät über Präventivmaßnahmen. Als Fachmann arbeitet er eng mit der Unteren Naturschutzbehörde zusammen.
Der Biber steht unter Naturschutz. Verstöße gegen das Schutzgesetz werden bestraft. „Es kommt auch mal vor, dass man bis zu den Hüften im Wasser steht, weil man die Biberdämme in ihrer Höhe reduzieren muss oder weil sie unnötig sind. Unnötige Dämme sind jene, die nicht den Bau schützen“, erklärt er.
Zweimal die Woche wird Günsche mindestens zu einem Biberereignis gerufen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten. Seine Aufgabe ist es auch, über den Biber aufzuklären. Er arbeitet daran, dass betroffene von einer „tierfeindlichen Denkweise abkommen“, wie er sagt.
Wenn es um den Biber geht, sei das ein emotionales Aufreger-Thema. Manchmal treffe er auf radikale Meinungen, so Günsche. Im Gespräch gelinge es ihm häufig, dass die betroffenen Bürger einlenken und man gemeinsam an einer Kompromisslösung arbeiten könne.
Neue Lebensräume für Amphibien, Insekten und Reptilien
Das „Abfangen eines Bibers“ sei der letzte Schritt, den der Naturschutz vermeiden möchte. Dass der Biberschutz viele Parallelen zum Vogelschutz habe, überrasche viele Menschen. Biber als „Landschaftspfleger“ legen Biotope an und so entstehen neue Lebensräume für Amphibien, Insekten und Reptilien. Das habe positiven Einfluss auf die Wasserqualität – was sich ebenso positiv auf den Fischbestand auswirke.
Dieser wird zahl- und artenreicher. „Für die Vögel sind solche Regionen ein echtes Schlaraffenland. So funktioniert auch Artenschutz“, wie Günsche feststellt. Die Kiebitze liegen ihm am Herzen. Der LBV verfolge ein entsprechendes Projekt. Sobald eine Vogelart bedroht ist, tritt der LBV auf den Plan.
Die Familie unterstützt den Naturschützer
Vor lauter Biber, Vögeln, Natur und Co. bleibt da überhaupt Zeit für die Familie? „Ohne deren Rückhalt wäre es überhaupt nicht möglich, mich für solche Ehrenämter zu engagieren. Meine Ehefrau Sigrid ist die Pflanzenexpertin und ich interessiere mich vor allem für die Tiere.“ Er liebt es, seinen Enkeln und überhaupt Kindern, die Schönheit der Natur zu zeigen.
Sein Appell lautet: „Jeder kann dazu beitragen, die Zerstörung der Tier- und Pflanzenwelt zu stoppen. Jeder sollte sich vor Augen halten, was die Klimaveränderung anrichtet. Stirbt die Natur, stirbt der Mensch.“