31 Tage als Helfer im Ahrtal

von Redaktion

Interview Hausmeister Richard Ettmüller (56) berichtet von seinen Einsätzen

Albaching – 31 Tage hat der 56-jährige Albachinger Richard Ettmüller, Hausmeister bei der Sparkasse Ebersberg, im Ahrtal mit angepackt. Nach der Unwetterkatastrophe im Sommer des vergangenen Jahres ist dort noch immer kein Alltag eingekehrt. Ettmüller blickt für unsere Zeitung auf seine Hilfeleistungen zurück und das immer noch motiviert und voll Energie. Von seinem sechsten Einsatz, vom 4. bis 9. Oktober, brachte er zahlreiche Eindrücke Betroffener mit. Inzwischen könnte er ein Buch über seine Erfahrungen schreiben. Möglich wurde dieses Engagement auch durch die Unterstützung seines Arbeitgebers, der ihm bisher, ab der zweiten Fahrt ins Ahrtal, unentgeltlich einen Bus für den Transport der Sach- und Geldspenden aus der Region zur Verfügung gestellt hat. Und dieses besondere Beispiel selbstloser Hilfe am Menschen findet noch kein Ende. Die nächste Fahrt hat Ettmüller schon geplant.

Wie haben Sie die Nachricht von den Unwettern in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli zu Beginn für sich eingeordnet?

Ich dachte mir spontan: Den Bildern und der Berichterstattung der Medien und Presse nach muss das ein fürchterliches Unglück sein, wo man schnell helfen muss.

Was war letztlich der Auslöser für diesen Entschluss, selbst vor Ort und ausgerechnet im Ahrtal zu helfen?

Ich war 2016 anlässlich des Hochwassers in Simbach am Inn zum Helfen dort und dies hat mich so berührt, dass ich dort den Entschluss gefasst habe, wenn wieder ein so großes Hochwasser ist, dann fahre ich erneut zum Helfen hin. Das habe ich dann nur umgesetzt.

Zwischen der Idee, persönlich zu helfen und dem ersten Einsatz, gab es da viel zu organisieren?

Eigentlich nicht. Ich habe Arbeitskleidung, Regenkleidung, Schuhe, Gummistiefel, Schlafsack, Thermarestmatte und etwas Proviant eingepackt und bin dann mit meinem VW-Bus ins Ahrtal geahren. Der erste Anlaufpunkt war für mich das Helfer-Shuttle in Grafschaft. Von dort aus sind die Helfer eingeteilt worden.

Wie sind Sie damals empfangen worden? Was waren Ihre ersten Eindrücke vor Ort?

Wir Helfer sind sehr herzlich empfangen worden, verbunden mit großer Dankbarkeit. Ich war überwältigt von den vielen Helfenden, die dort vor Ort waren (bis zu 2000 an einem Tag). Wir sind auch sehr gut mit Essen und Trinken versorgt worden.

Sie waren jetzt zum sechsten Mal im Ahrtal. Was hat sich dort verändert?

Anfangs waren wir mit Schlammschippen beschäftigt und damit, kaputtes Mobiliar heraus zu räumen. Später kam Putz abstemmen dazu. Ab dem dritten Einsatz hat schon vereinzelt der Wiederaufbau begonnen. Jetzt sind vorwiegend Handwerker gefragt, die anpacken können. Viele der Häuser sind aber ganz abgerissen worden.

Haben Sie sich dabei mitverändert?

Nein mich hat dies nicht verändert, denn ich habe gerne dort geholfen.

Haben sich aus den Hilfskontakten auch persönliche Kontakte entwickelt? Wenn ja, wie pflegen Sie diese?

Ja, etliche persönliche Kontakte sind während meiner Aufenthalte entstanden. Mit denen telefoniere ich oder schreibe über WhatsApp, da die Entfernung sehr groß ist.

Was nimmt man als Augenzeuge mit nach Hause, um es weiterzugeben an alle, die sowas noch nie erlebt haben?

Die Erfahrungen und Begegnungen, die ich dort gemacht habe, auch die Gespräche die geführt wurden bleiben im Gedächtnis haften. Wenn ich dann hier jemanden davon erzähle, glaubt das oft keiner. Ich denke aber auch, wenn man dies alles nicht selber erlebt hat, ist das auch nur schwer zu glauben.

Fahren Sie noch einmal hin, um zu helfen?

Ja Anfang Dezember will ich zum siebten Mal hinfahren, um zu helfen. Arbeit gibt es dort ja noch genug.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren in einigen Jahren mal ins Ahrtal, um nur Urlaub zu machen. Ist das überhaupt vorstellbar?

Ja, dies kann ich mir gut vorstellen, denn das ist eine so wunderbare Gegend. Da sollte man unbedingt mal hinfahren, um Urlaub zu machen und nicht nur zum Arbeiten. Die Leute dort brauchen jetzt schon wieder die Touristen.Interview Rieger

„Aus dem Fokus der Berichterstattung seien sie geraten ...“

An dieser Stelle ein Auszug aus den handschriftlichen Aufzeichnungen, die Richard Ettmüller bei seinem jüngsten Einsatz gemacht hat:

„Aus dem Fokus der Berichterstattung seien sie geraten und damit fast in Vergessenheit, bemängeln derzeit Betroffene aus dem Ahrtal. Allerdings gibt es auch Hoffnung, vor allem wegen der freiwilligen Helfer. „Ohne euch hätten wir das nicht geschafft!“ fasst zum Beispiel Karl Krämer aus dem Ahrtal die Hilfeleistungen wohl am besten zusammen. Denn die Bürokratie ist nicht so flexibel. Bemängelt wird vor Ort, dass erst 20 Prozent des von Gutachtern geschätzten Schadens nach einer komplizierten, nur digital möglichen Antragstellung, von der ISB-Strukturbank ausbezahlt wurde. Allein an dieser Hürde scheitern viele, so die Klage. Nach Schätzung vor Ort haben die Online-Beantragung allein und ohne Hilfe nur zehn Prozent der Antragsteller geschafft.

Obendrein zu den Schwierigkeiten beim Wiederaufbau vor allem im Oberlauf der Ahr kommen Uneinigkeiten bei künftigen Hochwasserschutzmaßnahmen und deren gesetzlicher Umsetzung. Deshalb wird die freiwillige Hilfe nach Ansicht vor Ort über viele weitere Jahre nötig werden, so Betroffene. 90 Prozent der Brücken sind zerstört, beziehungsweise beschädigt worden. Der Wiederaufbau gehe nicht so schnell wie nötig.

Das behindert Versorgung und Lebensqualität. Vor allem ältere Menschen, die in der sonst schönen Gegend ihren Lebensabend verbringen wollten, litten. 20 bis 30 Prozent der Senioren seien schon weggezogen, auch da viele Kliniken wegen der Überflutung noch nicht funktionsfähig seien.

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