Wasserburg – Auf der riesigen blauen Häkel-Decke, die den Brunnen abdeckt, schwimmt ein kleines gelbes Quietsche-Entchen, natürlich auch gehäkelt. Das interessanteste Detail: Aus dem Wasserkran fließen blaue Wollfäden. Eine Aufforderung, den Brunnen an der Ecke Schustergasse/Herrengasse wieder in Betrieb zu nehmen? Viele Wasserburger und ihre Gäste schließen sich dem Appell sicherlich an, denn es ist sehr heiß in der Stadt. Viele kostenlose Trinkwasser-Spender am Wegesrand gibt es nicht.
Die Familie Rothmaier, Eigentümer des Fischerbrunnens, nimmt die Aufforderung der Unbekannten, ihn wieder in Betrieb zu nehmen, mit Gelassenheit und Humor zur Kenntnis. Sie verrät auf Anfrage, warum der Brunnen nicht mehr plätschert. Die Entwässerungsleitung in der Muschelkalksäule verliere Wasser, der angrenzende Baukörper sowie die Basis der Säule würden im Betrieb regelmäßig vernässt, heißt es zur Begründung. Bei einer Reparatur der Wasserableitung müsste derart gravierend in die Substanz des Brunnen-Körpers eingegriffen werden, sodass die jetzige Gestalt nicht mehr erhalten werden könnte. Verschiedene Fachfirmen, die in den vergangenen Jahren zurate gezogen worden seien, hätten dies unabhängig voneinander bestätigt. „Das Brunnengewerk aus dem Jahr 1927 müsste hierzu komplett auseinandergebaut werden, was in Anbetracht des renommierten Künstlers, der es in Teilbereichen erschuf, dem Wasserburger Anton Woger, nicht verhältnismäßig wäre“, so die Familie Rothmaier.
Dennoch freue sie sich, dass das Kunstwerk an sich und seine Erscheinung im Altstadtbild offensichtlich nach wie vor als Blickfang wahrgenommen würden – „wenngleich eine Ente, wie aktuell, im Wassertrog bisher noch nie gesichtet wurde.“ Dem aufgrund einer Leckage stillgelegten Wassergerinne habe die unbekannte Künstlerin neues Leben eingehaucht, zwar nur optisch, „aber dennoch eindrucksvoll“.
Die Aktion muss von langer Hand vorbereitet gewesen sein. Denn: Die gehäkelte „Wasseroberfläche“ wie auch der „plätschernde“ Woll-Wasserstrahl waren laut Grundeigentümern zentimetergenau auf die Dimension des Wassertroges abgestimmt. „Und offensichtlich wurde die Künstlerin schon einmal bei einem Installationsversuch gestört, denn die Brunnenabdeckung war vor einigen Tagen auffällig verschoben“, berichtet die Familie Rothmaier, zu deren Liegenschaft der Brunnen gehört.
In der Tat „schlägt“ der oder die „Häkel-Banksy“ stets nachts zu, in der Dunkelheit. Warum ihre Identität bis heute verborgen geblieben ist, gilt genauso als Rätsel wie die oft sehr großen kreativen Werke. Stets haben sie eine Botschaft: Die Unbekannte prangerte beispielsweise mit einer Spinne einen Laden-Leerstand an und verzierte während der Pandemie die Magnolien in der Altstadt mit gehäkelten „Corona-Viren“. Sie dekorierte bereits den Neubau der Polizeistation, ein Kreisel-Kunstwerk, den Bürgerbahnhof und ein Tiefgaragentor. Auch saisonale Werke sind dabei: zu Ostern oder zu Weihnachten.
In der Pandemie, als weniger Menschen auf den Straßen unterwegs waren, kündigte sie ihre neuen Installationen mehrfach per mit einem Wollfaden „unterschriebenen“ Brief an die Wasserburger Zeitung an. Auch die Redaktion rätselt seitdem, wer hinter der Künstlerin steckt. Ein Geheimnis, das eigentlich auch niemand in der Stadt unbedingt lüften will. Zu spannend sind das Warten auf das nächste Werk und die Interpretation der gehäkelten Botschaft. Heike Duczek