Wenn das Leben zur Last wird

von Redaktion

Interview Wie Claudia Hanrieder Menschen mit Todeswunsch wieder aufbaut

Rosenheim – Seit September vergangenen Jahres gibt es bei den Maltesern in Rosenheim das neue Hilfsangebot „Todeswünschen im Gespräch begegnen“.

Dabei nimmt Claudia Hanrieder Anrufe oder Vor-Ort-Termine mit Menschen wahr, um ihnen in oder aus einer schweren Situation zu helfen. Für die 35-Jährige ist dieser Beruf etwas Besonderes.

Ab wann spricht man von einem Todeswunsch?

Ein Todeswunsch kann sich unterschiedlich zeigen. Meist wollen die Menschen jedoch nicht tot sein oder sterben, sondern sie wollen so nicht mehr leben. Wir wollen im Gespräch den Blickwinkel erweitern und weitere Möglichkeiten aufzeigen. Wir wollen mit diesem Gesprächsangebot frühzeitig und niederschwellig ansetzen, damit sich Todeswünsche nicht manifestieren oder sich weiterentwickeln. Sobald jedoch ein Handlungsdruck hinzukommt, gibt es Fachstellen, wie zum Beispiel den Krisendienst Bayern.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Ich bin für den neuen Dienst der Malteser „Todeswünschen im Gespräch begegnen“ zuständig. Meine Arbeit besteht darin, respektvoll zuzuhören und den Hintergrund der Menschen zu verstehen. Wir richten uns insbesondere an Menschen mit schweren Erkrankungen oder dauerhaft Pflegebedürftige.

Aber auch Angehörige können sich jederzeit an uns wenden. Das Projekt dient als Ergänzung zu den bereits bestehenden Angeboten in Rosenheim. Um den Menschen auch eine adäquate Unterstützung bieten zu können, ist es wichtig, Netzwerkarbeit zu betreiben und den Dienst bekannter zu machen.

Was sind die Auslöser, dass Menschen einen Todeswunsch äußern?

Die Ursachen können sehr unterschiedlich sein. Es sind zum Beispiel schwer Erkrankte, die Angst vor Schmerzen haben. Oder Menschen, die lange pflegebedürftig sind. Depressionen können Auslöser sein, aber auch ein schwerer Verlust, wenn sich jemand einsam fühlt oder die alltäglichen Dinge plötzlich schwerfallen.

Hier ist es wichtig, die individuellen Ursachen zu erforschen, damit auch spezifische Unterstützungsangebote gemacht werden können, wie zum Beispiel Informationen über Hospize, spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) oder ein Trauernetzwerk zu geben.

Wie kam es zu diesem neuen Angebot in Rosenheim?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 den Paragrafen 217 StGB, der das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung regelt, für nichtig erklärt. Seitdem ist der Gesetzgeber aufgefordert, eine neue Regelung zu finden, was bisher nicht geschehen ist.

Aus diesem Grund wird dieses Suizidpräventionsprogramm „Todeswünschen im Gespräch begegnen“ für die Seelsorgeregion Süd aus Mitteln des Hospiz- und Palliativfonds der Erzdiözese, München und Freising finanziert. Hier in Rosenheim ist der Startpunkt von diesem neuen Angebot.

Nehmen Sie die Geschichten Ihrer Klienten auch manchmal mit?

Der Unterschied besteht zwischen dem Mitfühlen und Mitleiden. Also wenn ich mitleide, dann leide ich selbst auch. Beim Mitfühlen geht es darum, Verständnis für die Person zu zeigen und ihre Situation nachzuvollziehen. Es ist wichtig für meinen Beruf, dass ich persönlich stabil bleibe und da auch gut für mich sorge, dass ich ein guter Gesprächspartner bleibe.

Und was machen Sie, um eine gute Gesprächspartnerin zu bleiben?

Mir hilft zum Beispiel die Selbstreflexion. Die Frage ist, was das Gespräch mit der Klientin mit mir selbst macht. Dabei muss ich ehrlich zu mir sein und herausfinden, welches Bedürfnis ich gerade habe. Brauche ich etwas Ruhe oder hilft es mir, mich zu bewegen? Dann meditiere ich zum Beispiel oder gehe gerne raus in die Natur. Ich habe aber auch die Möglichkeit, mit einem Supervisor darüber zu sprechen.

Was ist für Sie das Besondere an Ihrem Beruf?

Es ist schön, eine Dankbarkeit nach dem Gespräch zu spüren. Wenn mir jemand sagt: Danke, dass Sie mir zugehört haben. Es erfüllt mich sehr, wirksam und hilfreich für jemanden gewesen zu sein.

Wollten Sie schon immer beruflich in diese Richtung gehen?

Ursprünglich habe ich Jura studiert und nach dem zweiten Staatsexamen eine Zeit lang als Juristin gearbeitet. Währenddessen ist mir aufgefallen, dass die Bedürfnisse der Menschen im rechtlichen Bereich oftmals zu kurz kommen. Um diese näher erfassen zu können, bin ich zur Mediation gekommen. Menschen haben auch mit inneren Konflikten zu kämpfen.

Um hier helfen zu können, bin ich zur Heilpraktikerin für Psychotherapie gekommen und habe die Ausbildung zur Gesprächstherapie gemacht.

So ist der Hilfsdienst zu erreichen

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