Die große Geheimniskrämerei

von Redaktion

Die Romed-Krise rund um die Geburtsklinik Wasserburg beschäftigt nach wie vor die Chefetage in Rosenheim und den Aufsichtsrat. Während die Staatsanwaltschaft weiter ermittelt, kommt das Gremium heute erneut zusammen. Um hinter den Kulissen die Wogen zu glätten? Oder endlich aufzuklären? So steht es um die Romed-Krise.

Wasserburg/Rosenheim – Es ist eine mit Spannung erwartete Sitzung des Aufsichtsrats von Romed: Am heutigen Freitag soll das Gremium tagen, wie die Redaktion erfahren hat. Im Vorfeld haben sich anscheinend die Reihen geschlossen. Oberste Stufe der Geheimhaltung? Auf Anfrage bestätigen die Pressestellen der Stadt Rosenheim und des Landratsamtes sowie des Romed-Verbunds weder den Termin, noch geben sie Auskunft über den Inhalt der Sitzung.

Es wird davon ausgegangen, dass auch die Aufarbeitung der Krise auf der Geburtsstation in Wasserburg Thema sein wird. Seit bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft wegen eines Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung in einem und der fahrlässigen Körperverletzung in elf Fällen gegen eine ehemalige Chefärztin ermittelt, hat die Krise einen neuen Höhepunkt erreicht.

Welche Rolle spielte der Aufsichtsrat?

Eine zentrale Frage, die sich viele stellen: Hat der Aufsichtsrat des Romed-Verbunds angemessen reagiert, nachdem ihm Mitteilungen über mutmaßliche Probleme bekannt geworden waren? Anfangs soll es bei der Kritik, die auch Aufsichtsratsmitgliedern zugetragen wurde, auch um medizinische Entscheidungen gegangen sein.

Wie berichtet, kam es zu großen personellen Verwerfungen. Innerhalb von zwölf Monaten kündigten sechs Pflegekräfte und vier Ärzte, bestätigte Romed auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen im Februar 2023. Die personelle Krise spitzte sich weiter zu, als im Mai 2023 der kaufmännische Leiter von Romed Wasserburg suspendiert wurde. Mitarbeitende protestierten mit einem Brief und forderten die Rücknahme der Kündigung. Der ehemalige Chefarzt der Geburtsklinik, Dr. Martin Heindl, sprach von einem Racheakt gegenüber einem Klinikleiter, der nach Überzeugung von Heindl Fehlentscheidungen des Romed-Verbunds ausbaden müsse.

Auch diese Vorkommnisse wirken nach. Es gilt also viel aufzuarbeiten. Auf fünf Fragen der Redaktion zur heutigen Sitzung des Aufsichtsrats gibt es erneut keine Antworten. Nicht einmal der Termin der Aufsichtsratssitzung wird bestätigt. Nur so viel: „Grundsätzlich kommt der Aufsichtsrat seinen Verpflichtungen als Kontroll-Organ stets in allen relevanten Belangen nach, ohne dabei in die Belange anderer Behörden oder Körperschaften einzugreifen“, teilen die Pressestellen des Landratsamtes und der Stadt Rosenheim sowie des Romed-Verbunds in einem gemeinsamen Statement zur Anfrage der Redaktion mit.

Bekannte Namen
im Kontrollgremium

Landkreis und Stadt sind die beiden Teilhaber des kommunalen Unternehmens Romed-Klinikum. Im Aufsichtsrat mit seinen 20 Mitgliedern sitzen zehn Vertreter des Kreistages und zehn des Rosenheimer Stadtrates. Die Besetzung des Gremiums ist geprägt durch bekannte Namen aus der Politik: darunter die CSU-Landtagsabgeordneten Daniel Artmann und Sebastian Friesinger sowie die CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig.

Auch Rathauschefs sind vertreten: Michael Kölbl (Wasserburg), Rudolf Leitmannstetter (Vogtareuth), Georg Reinthaler (Eiselfing) oder Bad Aiblings früherer Rathauschef Felix Schwaller. Es gibt auch Aufsichtsratsmitglieder mit beruflichem Hintergrund in der Medizin: Dr. Fitz Ihler, der 21 Jahre Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbands Rosenheim war, Apothekerin Dr. Beate Burkl und Reinthaler, der aus der Krankenpflege kommt.

Außerdem im Aufsichtsrat vertreten: die Kreistagsmitglieder Josef Baumann, Helmut Freund, Annette Resch, Martina Thalmayr, die Stadtratsmitglieder Dr. Georg Bergmaier, Herbert Borrmann, Karlheinz-Brauner, Horst Halser, Andreas Kohlberger, Florian Ludwig und Anna Rutz. Vorsitzende des Aufsichtsrats sind abwechselnd Landrat Otto Lederer und Oberbürgermeister Andreas März.

Ob es überhaupt zu einer Anklage gegen die Medizinerin kommt, ist weiterhin offen. Derzeit wird nur ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft hat bei einer Untersuchung nach eigenen Angaben 200 Akten einbehalten. Die Auswertung dauere an. „Ein Abschluss der Ermittlungen ist noch nicht absehbar und wird sicherlich noch weitere Zeit in Anspruch nehmen“, nimmt Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze auf eine aktuelle OVB-Anfrage Stellung zum Stand der Dinge.

Gutachten spielt derzeit keine Rolle

Was aufhorchen lässt: Das Gutachten, das der Romed-Verbund Anfang 2023 in Auftrag gegeben hat, spiele bei den Ermittlungen derzeit keine Rolle, so Vietze nach Rücksprache mit dem zuständigen Staatsanwalt. Das Gutachten war laut damaligem Romed-Geschäftsführer zum Ergebnis gekommen, dass es keine medizinischen Fehlentscheidungen gegeben habe. Dies hatte Dr. Jens Deerberg-Wittram auch der Redaktion der OVB-Heimatzeitungen im April 2023 mitgeteilt.

Er sorgte im Januar 2024 für eine weitere große personelle Überraschung, weil er aus „zwingenden persönlichen und familiären Gründen um die Aufhebung seines Geschäftsführervertrags“ gebeten hatte. Prokurist Michael Müller ist seitdem kommissarisch tätig. Im November übernimmt Dr. Ulrich Schulze die Romed-Geschäftsführung.

Es gibt jedoch bekanntlich große Kritik am Umgang mit dem Gutachten. Die Mitglieder sollen sich mit einem mündlich übermittelten Ergebnis zufriedengegeben haben. Deerberg-Wittram gilt als Manager von außerordentlicher Überzeugungskraft. Nach wie vor hält sich jedoch hartnäckig die Frage, warum sich der Aufsichtsrat, der von den Problemen in der Romed-Klinik Wasserburg gewusst hatte, das Gutachten nicht trotzdem hat vorlegen lassen.

Welche Fälle wurden untersucht? Wer hat sie ausgewählt und dem Gutachter zur Prüfung vorgeschlagen? Welche Zeitspanne umfassten die zu untersuchenden Akten? Wie lautete die Fragestellung an den Gutachter, den renommierten Mediziner Professor Dr. Sven Kehl? Dazu gibt es keine Aussagen des Aufsichtsrats – mit Hinweis auf die Verschwiegenheitsverpflichtung.

Nur Mitglied Josef Baumann aus Wasserburg, der das Gutachten aus privater Quelle gesehen haben will, äußerte öffentlich seine Unzufriedenheit mit dem Papier.

Ein zivilrechtliches Verfahren läuft

Die Staatsanwaltschaft Traunstein wird voraussichtlich, so teilt sie mit, einen Sachverständigen heranziehen. Die Auswahl des Experten oder der Expertin richte sich nach der Fachrichtung und erfolge nach Anhörung der Verteidigung, so sei es gesetzlich vorgesehen, teilt Oberstaatsanwalt Vietze mit.

Fest steht außerdem, dass es nicht nur strafrechtliche Ermittlungen gibt. Beim Landgericht Traunstein laufe bei der Arzthaftungskammer auch ein zivilrechtliches Verfahren, diesmal gegen Romed Wasserburg, teilt die Pressestelle des Gerichts auf Anfrage mit. Es gehe um ein am 3. Dezember 2020 bei der Entbindung zu Tode gekommenes Kind.

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