Rott/München – Grölen, Beifall, Unterstellungen und Vorwürfe: Zwischenzeitlich erinnerte die Diskussion am gestrigen Mittwoch im bayerischen Landtag zur Petition der Bürgerinitiative (BI) „Rott rot(t)iert“ an eine ausgeartete Stammtischdebatte. Hintergrund für die Diskussion: ein Einwand der AfD zur Entscheidung des Beschwerde-Ausschusses.
Dieser hatte die Petition, mit der die BI gegen die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“ vorgehen will, mit der Bemerkung „80/3 Material mit Text und Protokoll“ an das bayerische Innenministerium weitergegeben. Im Beschluss wird unter anderem ein zweites Schadstoff-Gutachten zur Quecksilber-Belastung der Immobilie angefordert. Das Landratsamt Rosenheim und die Regierung von Oberbayern werden aufgefordert, auf den Alternativvorschlag Rotts einzugehen, 180 Geflüchtete statt der 300 Personen an einem anderen Standort unterzubringen. Der AfD ging diese Entscheidung aber nicht weit genug, sie hatte deshalb die Debatte in den Landtag geholt.
Bei vielen Verantwortlichen sorgte das Vorgehen der AfD jedoch für Unverständnis. Schon früh kam während der Sitzung der Vorwurf auf, dass die AfD aus der Petition „parteipolitisches Kapital“ schlagen wolle. Ähnliches sagten die Rosenheimer Abgeordneten auch nach der Plenarsitzung.
„Es war eine reine Showveranstaltung“, erklärte Sebastian Friesinger, Mandatsträger der CSU. Das „Hochziehen“ der Rotter Petition sei nichts als „politisches Kalkül“ seitens der Partei gewesen. „Ich empfand die gesamte Sitzung als sehr schlimm und finde das Vorgehen sehr schade, denn ich nehme die Bürger in Rott ernst. Das tut die AfD nicht.“ Die Debatte sei unnötig gewesen. In der Tat ging es in etwa 45 Minuten sehr oft um gegenseitige Vorwürfe und um allgemeine Auseinandersetzungen um die Migrationspolitiker, eher weniger um das spezielle Anliegen in Rott.
Ähnlich sah es Sepp Lausch (Freie Wähler), Abgeordneter im Landtag und Berichterstatter für die Rotter Petition. Mit dem Ergebnis – der Landtag hatte sich mehrheitlich hinter das Votum des Petitionsausschusses gestellt, es bleibt also bei der Entscheidung „80/3 Material mit Text und Protokoll“ – sei er zufrieden. „Mit den Vorgängen per se überhaupt nicht.“ Es tue ihm sehr leid, wie hier mit den Bedenken der BI umgegangen worden sei. „Es war eine reine Bühne der AfD“, sagte er. „Es ging ihnen um nichts anderes als um schöne Tiktok-Videos.“ Tatsache ist: Mehrfach wurden seitens der Sitzungsleitung Personen, die unerlaubterweise Videos aufgenommen hätten, aufgefordert, das zu unterlassen. Ob diese Anhänger der AfD waren, ist nicht bekannt.
Die gesamte Diskussion habe ihn auch persönlich angefasst, gab Lausch zu. Auch er sehe Probleme in der Migrationspolitik. „Aber es geht hier immer noch um Menschen. Menschen, die aus irgendwelchen Gründen zu uns gekommen sind. Wir können sie, solange sie da sind, nicht auf der Straße zelten lassen. Dieser Aspekt fehlt der AfD“, so Lausch.
Andreas Winhart, Abgeordneter der AfD, wehrte den Vorwurf des politischen Kalküls jedoch ab. Er sprach von „zahlreichen Fehlaussagen und Falschinterpretationen vor allem vonseiten der Fraktionen der Regierungskoalition“, zu denen es im Rahmen der Petitionsbehandlung im bayerischen Landtag und der nachgehenden Berichterstattung gekommen sei. „Der AfD-Fraktion und mir war es ein besonderes Anliegen, die Bürgerinitiative mit ihrer Petition mit rund 5000 weiteren Petenten hier nicht hinters Licht zu führen, sondern in ihrem Kernanliegen, nämlich der Verhinderung der Asylunterkunft am Eckfeld, zu unterstützen“, so Winhart.
Die Petition sei aus Sicht der AfD nicht mit „80/3 Material mit Text und Protokoll“, sondern mit „80/3 Berücksichtigung“ zu bescheinigen, da ein klares Fehlverhalten des Landratsamtes unter Landrat Otto Lederer vorliege, so Winhart. „Das Kernanliegen der Petition, nämlich die Asylunterkunft zu verhindern, wird vom Landratsamt nicht berücksichtigt. Alternativvorschläge wurden abgewiegelt, Belange der Gemeinde Rott am Inn hinsichtlich des Trink- und Abwassers nicht Rechnung getragen“, betonte er. „Grundsätzlich hätte vom Landratsamt erstmal die Geeignetheit der Immobilie geprüft werden müssen und auch die Gemeinde hätte hinsichtlich der beabsichtigten Nutzung eine Information benötigt, um eine offizielle Stellungnahme vorab abzugeben. Stattdessen hat man im Landratsamt den Weg gewählt, dass erst der bis heute geheim gehaltene Vertrag unterschrieben wurde“, erklärte der AfD-Abgeordnete.
Die Bürgerinitiative „Rott rot(t)iert“ zeigte sich auf Anfrage ebenfalls enttäuscht von der Debatte im Landtag. Grundsätzlich sei es gut, dass die Petition und die Belange von Rott noch einmal auf der großen Bühne diskutiert worden seien. „Allerdings ging es hier leider wenig um die Inhalte, sondern es handelte sich eher um einen politischen Schlagabtausch“, erklärte die BI.
Die Petition sei von unterschiedlichen Parteien „sehr instrumentalisiert“ worden.
„Es ist sehr schade. Wir hätten uns gewünscht, dass hier noch einmal auf sachlicherer Ebene diskutiert wird“, so das Fazit der BI.
Sophia Huber