Rosenheim/Mühldorf – Das war‘s für Günther Felßner: Nachdem Umweltaktivisten auf seinen Hof eingedrungen waren, zieht sich der bayerische Bauernpräsident aus dem Rennen um das Amt des Bundesagrarministers zurück. Aktivisten der Organisation „Animal Rebellion“ hatten am Montag auf dem Privatgelände des Bauernpräsidenten protestiert. Laut Medienberichten seien die Aktivisten mit Leitern auf ein Dach geklettert, hätten ein Transparent gehisst und Bengalo-Feuer gezündet. Felßners Frau habe um ihr Leben gefürchtet, heißt es weiter. Nun zieht der Bauernpräsident Konsequenzen. Er wird nicht mehr für das Amt in der neuen Bundesregierung kandidieren.
Söder fordert
Sonderermittlung
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist empört über die Proteste im Privatbereich Felßners und fordert eine Sonderermittlung. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, zeigt sich fassungslos vom radikalen Vorgehen der Aktivisten und bedauert Felßners Rückzug sehr, wie er in einer Presseerklärung mitteilt: „Es ist völlig unverständlich, dass solche persönlichen Angriffe und Bedrohungen gegen die Familie und das Eigentum eines politisch aktiven Landwirts teilweise gesellschaftlich geduldet werden. Solche kriminellen Aktionen sind Straftaten und haben nichts mit freier Meinungsäußerung oder einem legitimen Protest zu tun.“
Das sieht Sepp Andres, Rosenheims Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband, genauso: „Das ist Wahnsinn, das geht zu weit.“ Er habe die Pressekonferenz, bei der Felßner seinen Rückzug erklärte, live im Fernsehen verfolgt. „Ich kenne Günther schon einige Jahre. Ich habe erst gedacht, er macht richtig Attacke, nach dem Motto: Jetzt erst recht“, berichtet Andres. „Das wäre vielleicht der Fall, wenn es nur um ihn gehen würde. Aber es betrifft seine Frau, seine Familie, seinen Betrieb, seine Tiere. Das ist etwas anderes“, erklärt der Pfaffinger.
Immer wieder gebe es laut Andres deutschlandweit Stalleinbrüche bei Landwirten, durchgeführt durch radikale Aktivisten. Es sei es auch schon vorgekommen, dass diese Gruppierungen „Szenen inszenieren“, indem sie Tiere selbst einsperren und dies filmen würden, sagt er. „Vor Jahren gab es im südlichen Landkreis mal einen Fall. Das ist alles aufgeklärt worden, aber das Vorgehen dieser Aktivisten ist erschreckend“, betont er. Viele Betriebe seien mittlerweile ausgestattet mit Überwachungskameras und Bewegungssensoren. Er kritisiert zudem, dass diese Gruppierungen „keinen Dialog suchen würden, sondern die Konfrontation“. „Jeder Bürger fordert Demokratie, viele sind damit überfordert“, findet er. „Vor allem, wenn es darum geht, auch mal andere Meinungen zu akzeptieren.“ Was ihn auch ärgert: „Alle gehen auf die Straße und demonstrieren gegen Rechtsextremismus. Nach so einem Vorfall wie bei Felßner passiert nichts“, bedauert er. Er bemerke einen schleichenden Prozess. „Es gibt immer mehr Angriffe, auch auf die Polizei, Feuerwehr, den Rettungsdienst, Politiker – sogar auf Ehrenamtliche“, kritisiert er. Andres beschreibt es als die „komplette Verrohung der Gesellschaft“. So ein Vorgehen wie bei der Organisation „Animal Rebellion“ dürfe „auf keinen Fall“ geduldet werden. „Das öffnet Tür und Tor für die Selbstjustiz“, prophezeit Andres.
Ähnlich sieht das Ulrich Niederschweiberer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands in Mühldorf. Er bezeichnet die Proteste bei Felßner als „sehr heftig“. „Das möchte man nicht selbst erleben“, zeigt er sich schockiert. Der Präsident des Bauernverbands sei zu der Zeit in Berlin gewesen, die Familie habe „die Aktion“ erleben müssen. Das Vorgehen bereite Niederschweiberer große Sorge. „Wie soll man sich als Landwirt schützen? Selbst Sicherheitsvorkehrungen interessieren diese militanten Tierschützer ja nicht“, sagt er. Der Rechtsstaat müsse bei dem Vorgehen der Aktivisten voll zum Tragen kommen, fordert er. Er habe aber auch schon erlebt, dass die Justiz „im Sinne des Tierwohls“ solche Gruppierungen in Schutz genommen und es keine Strafe gegeben habe. Dafür habe Niederschweiberer keinerlei Verständnis. „Es ist und bleibt ein Einbruch“, betont er. „Das muss Konsequenzen geben“, fordert er.
Unter den Mitgliedern des Bauernverbands gebe es „eine Riesen-Diskussion“, nicht nur wegen der Protest-Aktion bei Felßner, sondern auch wegen seiner zurückgezogenen Kandidatur für das Amt des Agrarministers. „Es ist ein Rückschlag für die Landwirtschaft“, findet Niederschweiberer. Über die Jahre habe sich der Bauernpräsident „enorm entwickelt“. „Mit Felßner hätten wir einen Fachmann auf Bundesebene gehabt. Jetzt stellt sich die Frage: Wer macht’s?“
Aktivisten befeuern
gesellschaftliche Risse
Darüber hinaus sieht der Mühldorfer auch das Ehrenamt an sich bedroht. „Es macht Spaß, ist aber viel Arbeit“, weiß der langjährige Kreisobmann. Bei verschiedenen Kollegen aus dem Bauernverband habe es schon Vorfälle gegeben. „Wenn dann auch noch meine Sicherheit gefährdet ist, weiß ich nicht, ob die nächsten Generationen sich das antun“, meint er. Niederschweiberer findet, dass die Landwirte über die Jahre hinweg mit vielen Interessensgemeinschaften, wie Ministerien, Jagdverbänden oder dem Bund Naturschutz, einen Dialog geschaffen haben. „Wir haben einen guten Draht zueinander. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Meinungen, aber die Zusammenarbeit ist gut“, betont er. Ein Vorgehen, wie das der Organisation „Animal Rebellion“, würde die extremen Gruppen „befeuern“ und sorge dafür, dass die Gesellschaft weiter auseinanderdriftet, so der Kreisobmann.