Antonia Wierer berührt mit Worten

von Redaktion

18-jährige Maitenbetherin gewinnt internationalen „Speaker Slam“

Maitenbeth – „Wenn Worte meine Sprache wären“: Dieser Songtitel des deutschen Sängers Tim Bendzko trifft mit Sicherheit auf Antonia Wierer aus Maitenbeth zu. Die 18-Jährige ist als Poetry-Speakerin unterwegs und hat jüngst den internationalen „Speaker Slam“ in Wiesbaden gewonnen. Gegen 250 Mitstreiter aus 28 Nationen setzte sie sich als jüngste Kandidatin durch. Dabei hatte sie 240 Sekunden Zeit, um ihr Thema auf der Bühne zu präsentieren und das Publikum zu begeistern – das ist offensichtlich gelungen.

Schläge des
Schicksals erlebt

Themen hat Antonia Wierer genug. Trotz ihres jungen Alters hat die Maitenbetherin selbst schon einige Schicksalsschläge verkraften müssen. Darunter den Tod ihres besten Freundes, der an Muskelschwund litt, berichtet sie im Gespräch mit der Redaktion. Wierer kannte ihn seit dem Kindergarten. „Als ich klein war, ist mir gar nicht aufgefallen, dass er eine so schwere Erkrankung hatte. Das nimmt man als Kind ja nicht so wahr“, weiß sie noch gut.

Die Ärzte hätten ihrem besten Freund damals schon gesagt, dass er wahrscheinlich nicht älter als zwölf Jahre würde. Er habe keine weiterführende Schule besuchen können, sei später auf den Rollstuhl und zuletzt auf den Liegerollstuhl angewiesen gewesen, musste beatmet werden. „Meistens hat er gelesen oder Playstation gespielt“, erinnert sich die Maitenbetherin noch gut und bei dem Gedanken an ihren Freund lächelt sie. „Er war mit Abstand der Mensch mit den meisten Träumen, den ich je kennengelernt habe. Er war immer fröhlich, immer am Lachen.“

Als es 2021 „dem Ende zuging“, sei ihr der Abschied „sehr schwer“ gefallen. „Es war sehr wahrscheinlich, dass es unser letztes Treffen sein würde. Wir haben uns mit Tränen in den Augen auf Wiedersehen gesagt. Doch er wurde immerhin 18 Jahre alt.“

Bis heute habe sie ein sehr gutes Verhältnis zur restlichen Familie, „mit seinen sechs Geschwistern bin ich ja praktisch auch aufgewachsen.“

Ihr bester Freund sei auch oftmals Thema, wenn sie als Poetry Speakerin unterwegs sei. „Das habe ich mit der Familie abgesprochen, ohne deren Einverständnis würde ich es nicht machen. Aber sie gehen selbst ganz offen damit um“, erzählt die 18-Jährige. Sie sehe sich auch als eine Art „Botin dieser Geschichte“ und will die Leute damit aufrütteln. Wenn sie auf der Bühne von dem Erlebten spricht, könne es auch schon mal passieren, dass ihre Stimme zu zittern und sie fast zu weinen beginne. „Das war vor allem am Anfang so. Je öfter ich es gemacht habe, desto besser wurde es.“

Der Unterschied zwischen „Poetry Speaking“ und „Poetry-Slam“ ist laut Wierer unter anderem die Vorbereitung. Diese sei beim Speaking „relativ spontan“. „Knapp zwei Tage bereite ich mich thematisch auf die vier Minuten vor, die ich dann spreche. Ich habe einen Leitfaden und hangele mich an Bildern entlang, die ich vor meinem inneren Auge sehe“, erklärt sie ihr Vorgehen. Beim „Slammen“ würden die Kandidaten vorbereitete Gedichte vortragen. Ansonsten sei es fast dasselbe: „Es ist die Kunst der Überzeugungskraft durch Worte.“

Dass ihr öffentliche Auftritte liegen, hat Wierer im Theater-Unterricht an der Schule gemerkt. So habe sie auch ihre Liebe für die Schauspielerei entdeckt. „Ich brenne für die Bühne“, betont die Maitenbetherin. „Sie schafft Distanz zwischen mir und dem Publikum. Ich habe deutlich mehr Schwierigkeiten, wenn ich vor weniger Personen auftreten muss, als wenn es Hunderte sind.“ Bei ihrem Auftritt geschehe eine „minimale Veränderung“ bei ihr. „Ich schlüpfe in die Rolle und spiele mich selbst“, erklärt sie. „Es ist ein Paradoxon.“

Grundsätzlich beschreibt sich Wierer als einen kreativen Menschen: Kalligrafie, Aquarelle malen, Singen, Theater: „Ich drücke mich am liebsten künstlerisch aus“, erzählt sie. Auch beim Kickboxen beim TSV Haag sei sie dabei.

Für die junge Frau hat schon früh festgestanden, dass sie Schauspielerin werden will. Nach dem Abitur will sie sich um einen Platz an einer Schule in München bewerben. „Regionale Filme liegen immer mehr im Trend. Da ich zweisprachig aufgewachsen bin – deutsch und bayerisch – sollte das für mich kein Problem sein, in diesem Metier Fuß zu fassen“, meint Wierer.

Diesen Traum verfolge sie schon lange, was an ihrer alten Schule oft belächelt worden sei. „Ich habe mir sehr viel anhören müssen, wurde dort jahrelang schwer gemobbt“, sagt sie. „Meine Noten sind in den Keller gerauscht. Diese Zeit war sehr schwer für mich.“ So entschied sie sich für einen Wechsel der Bildungsstätte, heute ist sie an der freien Schule in Glonnthal und gibt selbst Mathematik- und Englisch-Nachhilfe. „Das waren vorher meine Hass-Fächer, jetzt bin ich richtig gut darin“, freut sie sich.

Eine große Hilfe seien auch ihre Eltern gewesen: „Sie sind die Menschen, die mich am meisten unterstützt haben“, betont sie. Die schwere Schulzeit, die sie erlebt habe, sei ebenfalls eines der Themen, die sie beim „Poetry Speaking“ aufarbeite. Sie will mit ihrer eigenen Geschichte anderen Mut machen, denen es ähnlich ergehe.

Aufmerksam
machen auf Schikane

Später könne sie sich vorstellen, als Coach Vorträge zu halten, auch zu der Thematik, wie Lehrer besser auf ihre Schüler eingehen könnten. „Weniger Frontalunterricht, mehr Kommunikation“, hätte sie sich selbst früher gewünscht.

Deswegen liege es ihr sehr am Herzen, auf Schikane an Schulen aufmerksam zu machen und sich als Betroffene Gehör zu diesem Problem zu verschaffen. Das gelingt der 18-Jährigen bisher ganz gut – wie sie beim „Speaker Slam“ in Wiesbaden gezeigt hat.

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