Mühldorf – Seit einigen Wochen herrscht im Haus an Mühldorfs Stadtplatz 74 emsiges Treiben. Es wird gehämmert, gebohrt und geklopft. Arbeiter marschieren aus und ein, klettern auf dem Gerüst herum und machen sich an der Fassade zu schaffen. Vor fast zehn Jahren ist das Haus hinter einem mit Plane behängten Gerüst verschwunden. Ebenso lange ist dort nichts passiert. Die Mühldorfer fragten sich, was daraus werden soll. Und die Stadtoberen ärgerten sich, weil die flatternde Plane samt Dauer-Gerüst ihren schönen Stadtplatz verschandelte.
Seit einem halben
Jahr geht’s voran
Jetzt geht endlich was voran und dahinter steckt der Pollinger Schreinermeister Markus Zehentmaier. Er hat das Gebäude gekauft und die Sanierung in Angriff genommen und empfängt die OVB-Heimatzeitungen auf der Baustelle zu einem Rundgang. „Mir gehört das Haus seit einem halben Jahr“, erzählt er gut gelaunt und schiebt das Ladengitter am Eingang beiseite.
Von außen schaut es ja schon nach viel Arbeit aus, aber beim ersten Blick ins Innere wird auch bauunerfahrenen Laien sofort klar: Hier steckt wirklich sehr viel Arbeit drin. Kein Raum, in dem der Putz nicht zum größten Teil abgeschlagen ist und nur noch das blanke Mauerwerk aus Ziegeln verschiedenster Machart und diversen Jahrhunderten und mehr oder weniger fachmännisch geflickten Rissen zum Vorschein kommt.
Die mächtigen Deckenbalken sind freigelegt. Viele davon so morsch, dass nichts hilft, außer sie komplett zu ersetzen. Die Deckenbretter sind herausgeschnitten und die verputzten Strohmatten schon längst entsorgt. Nur an einigen Stellen lugen noch ein paar lange Halme heraus. Die Türausschnitte mussten zum Teil mit neuen Stahlträgern unterfangen werden, weil der verbaute Träger verrostet war.
„An die Statik mussten wir zuerst ran“, berichtet Zehentmaier. „In ein paar Jahren wäre das Haus wahrscheinlich in sich zusammengebrochen.“ Auch der Erker an der Außenfassade, an den sich viele Mühldorfer wahrscheinlich noch erinnern können, musste mit neuen Balken und neuer Bodenplatte aus Beton vor dem Absturz gesichert werden. Wie der Bauherr weiß, wollte der frühere Besitzer das Haus eigentlich selbst bewohnen, hatte schon diverse Umbauten vorgenommen. Um die Fassade zu weißeln, wurde sie sandgestrahlt – und da fiel der Putz haufenweise zu Boden. „Das hat das Landratsamt auf den Plan gerufen, der ganze Putz musste runter und das Haus eingerüstet und die Fassade abgedeckt werden, damit niemand gefährdet wird.“ Damit war auch das Wohnvorhaben beendet und die Adresse Stadtplatz 74 war rund 15 Jahre „tot“, wie Zehentmaier es nennt.
Seit einigen Jahren kauft der Schreiner baufällige Häuser und saniert sie. Sein erstes in Mühldorf war vor etwa vier Jahren das am Katharinenplatz, in dem sich das Restaurant „Daniele“ befindet. Rundherum nahm er sich noch einiger anderer Häuser an. Er zeigt Fotos von vorher und nachher: Ebenso ausgehöhlte Gebäudegerippe wie derzeit am Stadtplatz 74, aus denen er Schmuckstücke gemacht hat. Mit Geschäftsräumen und Wohnungen, die es an Komfort und Ausstattung mit jedem Neubau aufnehmen können.
Zum Stadtplatz 74 kam er eher zufällig. „Ich hab gegenüber mit einem befreundeten Makler ein Bier getrunken, auf das Haus geschaut und gefragt, wem das denn gehört“, erinnert sich Markus Zehentmaier. „Er hat das über mehrere Ecken herausgefunden und mir die Telefonnummer besorgt. Ich hab den Eigentümer angerufen und jetzt gehört es mir.“
Wann will er denn mit der Sanierung fertig sein? „In einem Jahr“, meint er zuversichtlich. Einer seiner Mitarbeiter kommentiert das mit einem „Naja“. Zehentmaier bleibt dabei, das sage ihm sein Bauchgefühl und die Erfahrung mit solchen Bauvorhaben. Außerdem habe er ein verlässliches und bestens eingespieltes Team an seiner Seite. „Es geht gut voran!“ „Im Erdgeschoss wird eine Bar einziehen, geführt von den GOA-Söhnen“, berichtet er über die Zukunft. Der Raum für das Lokal ist ein rund 32 Meter langer Schlauch. An eine Seite soll eine lange Theke, an die Wand gegenüber Tische und Stühle. Er präsentiert einen ersten Entwurf, viel Holz an Wänden und Decke – es sieht toll auf, ist aber noch Geheimsache. In Mühldorf geht das Gerücht um, es solle auch ein Weinkeller eröffnet werden. Zehentmaier: „Ein Keller ist da. Sogar mit Gewölbe. Aber ob der auch als Lokal genutzt wird, ist noch völlig offen.“
Warum tut er sich das an? „Es macht ja sonst keiner“, lacht er. „Einen Gspinnerten muss es ja geben.“ Es ist seine Leidenschaft. Wie sein Mitarbeiter sagt, hätten sie beide ihr Hobby zum Beruf gemacht. „Es kostet aber auch Nerven“, schränkt Zehentmaier ein. „Ich werde das auch nicht ewig machen.“ Aber noch macht es ihm Spaß. Mehr als sein früherer Beruf als Schreiner. „Da habe ich 15 Jahre lang Eckbänke und Küchen gemacht und auch selbst eingebaut. Das war gut. Aber ich brauchte mehr Freiheit.“
Denkmalamt und Brandschutz lassen ihm keine uneingeschränkt freie Hand und verursachen oft zusätzliche Kosten. Aber er geht nicht blauäugig an ein solches Projekt heran: „Ich habe in den letzten Jahren viele Erfahrungen gemacht, viele Kontakte geknüpft.“ Von der Stadt Mühldorf fühlt er sich gut unterstützt. Im Rathaus sei die Freude groß gewesen, als er sich als neuer Eigentümer mit seinen Umbauplänen vorgestellt habe.
„Sich trauen
und machen“
„Man muss sich trauen und machen“, ist Zehentmaiers Motto. Und er macht. Schafft in dem Haus am Stadtplatz 74 Platz für ein Lokal und rund acht Studentenwohnungen. „Heizung und Sanitär wird alles neu, neue Leitungen für die Elektrik und fürs Wasser, neuer Putz“, zählt er auf und freut sich selbst schon auf das Endergebnis. „Es wird sich hier drin wohnen lassen wie in einem modernen Neubau.“
In etwa einem Jahr, zum Abschluss der Arbeiten, soll das Gerüst wegkommen, die Plane fallen. Dann soll das Gebäude, das viele Jahre der Schandfleck am Stadtplatz war, mit einer blauen Fassade und weißen Fensterumrandungen samt Stuckelementen in neuem Glanz erstrahlen. Dann hat Markus Zehentmaier wahrscheinlich schon das nächste Objekt in Arbeit, im Kopf hat er es schon.