Rott – Die vorbereitenden Arbeiten für den Umbau der Rotter Industriehalle in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge laufen. Doch die Bürgerinitiative (BI) „Rott rottiert“ erhebt schwere Vorwürfe gegenüber dem Landratsamt Rosenheim. Dieses soll sich über eine Anordnung des Innenministers hinweggesetzt haben. Was ist da dran?
Sind Räume in der Gewerbehalle am Eckfeld in Rott, die in einer Erstaufnahme-einrichtung für bis zu 270 Geflüchtete umgewandelt werden sollen, mit Quecksilber kontaminiert, Altlasten der früheren Nutzung als Lampengeschäft?
Gutachten Nummer
eins angezweifelt
Schon ein erstes Gutachten zu dieser Frage hatte für unterschiedliche Interpretationen gesorgt. Die Bürgerinitiative „Rott rottiert“ spricht von einer „nachweislichen Belastung“, deshalb sei es nicht möglich, hier Menschen unterzubringen. Das Landratsamt Rosenheim, das das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, sagt, bei der Luftmessung sei in sechs von acht Räumen eine Quecksilberkonzentration weit unterhalb des strengsten aller Richtwerte ermittelt worden, in einem Raum sei der unterste Zielwert exakt erreicht, in einem weiteren geringfügig überschritten worden. Diese Bereiche würden deshalb nicht belegt.
Das Gutachten, das das Landratsamt auch veröffentlicht hatte, wurde jedoch mehrfach angezweifelt, vor allem die Vorgehensweise bei den Messungen: auch vom Rotter Gemeinderat. Er forderte ebenso wie die BI eine Zweitanalyse auf der Basis einer erneuten Messung. Diesen Schritt hatte das Landratsamt Rosenheim stets mit dem Verweis auf die Tatsache abgelehnt, dass ein renommiertes, akkreditiertes Institut beauftragt worden sei.
Doch jetzt steht der Vorwurf der BI im Raum, das Landratsamt hätte doch eine zweite Messung durchführen lassen müssen und mit den Arbeiten deshalb gar nicht beginnen dürfen. Innenminister Dr. Joachim Herrmann habe in einem Schreiben an die BI vom 3.Juni dieses Jahres eine erneute Analyse zu möglichen Schadstoffen angeordnet. Wortwörtlich heiße es dort: „Auch wenn bisherige gutachterliche Untersuchungen keinerlei Hinweise auf eine Quecksilberbelastung ergaben, hat sich das Staatsministerium […] dafür ausgesprochen, rein vorsorglich ein Zweitgutachten erstellen zu lassen.“ Dementsprechend werde derzeit auf den Ausgang gewartet. Das Schreiben mit diesem Inhalt bestätigt auf Nachfrage die Pressestelle des Ministeriums.
Die BI wirft den Behörden, in erster Linie dem Landratsamt Rosenheim, vor, die zweite Messung nicht abgewartet und schon mit den Arbeiten in der Unterkunft begonnen zu haben. Deshalb seien bereits hier tätige Handwerker, wie etwa Maler und Sicherheitsdienste, sowie zukünftige Bewohner einem „potenziellen Gesundheitsrisiko ausgesetzt“. Dass im Gebäude vorbereitend gearbeitet wird, hatte das Landratsamt der Redaktion nach Bekanntgabe des vom Verwaltungsgericht abgelehnten Eilantrags der Gemeinde bestätigt. Mitte Juli sollen die ersten Geflüchteten einziehen.
Die Bürgerinitiative findet es unverantwortlich, Baumaßnahmen durchzuführen, ohne die Ergebnisse der zweiten Quecksilberbelastung abgewartet zu haben. Das sei eine „grobe Missachtung des Vorsorgeprinzips sowie möglicher Gefahren für Leib und Leben“. Die BI fordert, dass die Arbeiten sofort eingestellt werden.
Landratsamt weist
Kritik zurück
Das Landratsamt Rosenheim weist die Kritik auf Anfrage zurück. „Richtig ist, dass Innenminister Herrmann zugesagt hat, dass vor der Belegung der Unterkunft in Rott am Inn rein vorsorglich ein Zweitgutachten durchgeführt wird, um sämtliche Zweifel der BI auszuräumen.“ Die Messung sei deshalb in der Tat von der Regierung von Oberbayern beauftragt worden und solle noch vor Juli durchgeführt werden. „Sobald die Ergebnisse des zweiten Quecksilbergutachtens vorliegen, kann mit der eigentlichen Belegung begonnen werden“, so die Pressestelle des Landratsamts.
Doch hätte es mit den vorbereitenden Arbeiten nicht warten müssen? „Die bisherigen gutachterlichen Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass in dem Gebäude keine gefährliche Quecksilberbelastung besteht. Vorbereitenden Maßnahmen in dem Gebäude steht also nichts entgegen“, antwortet das Landratsamt.
So sieht es auf Anfrage auch das Bayerische Innenministerium. Das Verwaltungsgericht habe keine Einwände gegen das erste Quecksilbergutachten vorgebracht, deshalb sei es nicht notwendig gewesen, auf die Ergebnisse der zweiten Messungen zu warten. „Vor einer Belegung des Gebäudes wird aber der Ausgang des vorsorglichen, zweiten Quecksilbergutachtens abgewartet“, so das Innenministerium. Heike Duczek