Ein Spezial-Stuhl gegen Inkontinenz?

von Redaktion

Beinahe jede zweite Frau entwickelt im Laufe ihres Lebens Probleme mit dem Beckenboden. Ein neues Behandlungs-Angebot in Wasserburg soll Abhilfe schaffen. Was dahinter steckt und wie Experten das Angebot einschätzen.

Wasserburg/Mühldorf/Altötting – Ein neues medizintechnisches Studio verspricht seit Mai den Wasserburgern und vor allem den Wasserburgerinnen Abhilfe bei Problemen mit dem Beckenboden, also beispielsweise bei Inkontinenz. Das soll ganz einfach im Sitzen funktionieren, mit einem Magnetwellen-Stuhl.

Das Prinzip ist simpel: Mit Magnetwellen soll die Beckenboden-Muskulatur stimuliert und so trainiert werden. Je nachdem welche Probleme, beziehungsweise Ziele angegeben werden – Inkontinenz, Rückbildung nach der Schwangerschaft oder auch einfach nur Beckenbodentraining – wird mehr oder weniger Zeit mit mehr oder weniger starken Magnetwellen auf dem Stuhl verbracht. Das Gefühl dabei, ein bisschen unangenehm, aber nicht schmerzhaft.

Viele Frauen
schämen sich

Je nach Problem seien auch mal mehr, mal weniger Sitzungen nötig, erklärt Stephan Bernau, der hinter dem Angebot steckt. Seit über 20 Jahren arbeitet er im medizintechnischen Vertrieb. Mit einem eigenen Studio hat er sich nun selbstständig gemacht und sich dabei stark dem Thema Beckenboden verschrieben. Denn dies sei ein Thema, das viel zu wenig Aufmerksamkeit bekomme. „Bis zur Hälfte der Frauen ab 35 Jahren haben Probleme mit dem Beckenboden“, sagt Bernau – eine, so findet er, schockierende Zahl. Oft sei es aber die Scham, die viele Frauen davon abhalte, sich Hilfe zu holen. „Ich sehe das hier an meinem Studio auch. Es gehen viele vorbei, schauen verstohlen und dann ganz schnell wieder weg“, sagt Bernau. Dabei seien vor allem Frauen mit Inkontinenz-Problemen nicht alleine. Abhilfe sollen diese Betroffenen nun also hier im Hag, direkt gegenüber des Altstadtfriedhofs, erhalten.

30 bis 50 Prozent der
Frauen betroffen

Dass es viele Betroffene gibt, das bestätigt auch das „InnKlinikum“ Altötting und Mühldorf. „Es wird geschätzt, dass etwa 30 bis 50 Prozent der Frauen irgendwann im Laufe ihres Lebens Beckenbodenfunktionsstörungen erleiden werden“, erklärt Stefanie Laufhütte, leitende Oberärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe am „InnKlinikum“ Altötting. Allerdings seien Frauen in unterschiedlichen Ausprägungen betroffen. Bei Männern seien Beckenbodenfunktionsstörungen dagegen sehr selten zu beobachten und meist nur im Zuge von Begleiterkrankungen wie Multipler Sklerose oder nach einer größeren Operation im Beckenbodenbereich, wie Bernhard Walter, Chefarzt der Urologie und Kinderurologie am „InnKlinikum“ Mühldorf, erläutert.

Inkontinenz auch
psychisch belastend

Die Folgen von Problemen im Bereich des Beckenbodens können dabei vielfältig sein, wie das „Innklinikum“ erklärt. „Eine Beckenbodenfunktionsstörung kann neben der Inkontinenz auch Senkungsbeschwerden unterschiedlicher Ausprägung bis hin zum kompletten Gebärmutter- oder Scheidenvorfall haben“, so das Klinikum. In einigen Fällen könne dies durch einen Harnstau bis zur Nierenfunktionsstörung führen, was durch eine rechtzeitige Behandlung verhindert werden könne.

Auch psychisch kann eine Beckenbodenfunktionsstörung oder vor allem Inkontinenz sehr belastend sein, da Patientinnen dazu neigen, sich zu isolieren, Kontakte zu meiden und sich immer mehr zurückziehen. Somit ist eine Stigmatisierung und letztlich Vereinsamung bei Betroffenen laut den Experten vom „InnKlinikum“ nicht selten. Wann im Bereich des Beckenbodens aber tatsächlich von einem „Problem“ gesprochen werde, sei sehr unterschiedlich und könne nicht pauschal beantwortet werden. Letztendlich entscheide sich das durch den von der Patientin geäußerten Leidensdruck.

Als Risikofaktoren für Beckenboden-Störungen gelten laut Oberärztin Laufhütte dabei schwache Bindegewebe. Außerdem seien Übergewicht, chronischer Husten, beispielsweise durch Rauchen, schwere körperliche Belastung, viele Schwangerschaften und Geburten, vor allem bei schweren Kindern, das Alter sowie das weibliche Geschlecht Risikofaktoren. Einige Faktoren seien deshalb natürlich nur wenig oder nicht beeinflussbar. „Allerdings kann ein konsequentes Beckenbodentraining durchaus helfen“, so Laufhütte.

Weitere Therapie-Möglichkeiten neben dem Training seien zudem Elektrostimulation und Biofeedback, diverse Medikamente, Pessartherapie und letztlich auch eine operative Therapie, so Laufhütte. Auf die Möglichkeit des Magnetwellen-Stuhls reagiert das „InnKlinikum“ allerdings eher skeptisch. „Da wir diese Therapie nicht anbieten, haben wir hier auch keine Erfahrungswerte. Grundsätzlich sollten unserer Meinung nach zunächst die Therapien zum Einsatz kommen, die etabliert sind und von den Krankenkassen auch übernommen werden. Letzteres ist bei dieser Therapie nicht der Fall – außer in Einzelfällen bei Privatkassen“, so die Klinik.

Artikel 11 von 11