Haag – Entlang der Nordseeküste und in Oberbayern wächst das beste Gras für die Milchproduktion, und dort arbeiten jede Menge darauf spezialisierte Fachleute. Deshalb sollte man der Milchproduktion und der Tierhaltung dort – und damit jungen Landwirten – eine sichere Perspektive geben. Das war eine zentrale Aussage des niedersächsischen Bauernpräsidenten Dr. Holger Hennies beim Mühldorfer Kreisbauerntag, zu dem der Kreisobmann Ulrich Niederschweiberer am Montagabend ins Festzelt des Schützenvereins Hubertus im Haager Ortsteil Stauden eingeladen hatte.
Mit einem „Servus“ statt einem „Moin“, wie im Norden üblich, stellte sich Hennies vor. Der studierte Agrarwissenschaftler (55) bewirtschaftet in seinem Ackerbaubetrieb 80 Hektar und ist einer von zwei Geschäftsführern einer Ackerbaubetriebsgemeinschaft. Im Nebenerwerb betreibt er eine Schweinemast und bietet Pferdehaltung als „Lernort Bauernhof“ an. Seinen Landesverband leitet er seit 2021, seit 2022 ist er auch Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands (DBV).
Gemeinsam für bessere Agrarpolitik
In der Region hier stehe die Grünlandnutzung – wie in seiner Heimat – im Vordergrund, so Hennies. „An der Nordseeküste und im Alpenvorland sitzen die besten und effizientesten Milchproduzenten“, erklärte er. „Wir sind stark, wenn wir zusammenhalten und gemeinsam für eine bessere Agrarpolitik eintreten.“ Der DBV habe schon Einiges erreicht, aber zwei wesentliche Forderungen seien noch nicht erfüllt: der Regelungs- und Bürokratieabbau und eine Perspektive für die Tierhaltung. Bundesweit gebe es einen Zuwachs an landwirtschaftlichem Nachwuchs, der oft sogar von außerhalb der Landwirtschaft käme. Die jungen Leute gingen aber nicht auf die Höfe und investierten dort nicht.
Was sie verunsichere, sei die fehlende Planungssicherheit. Heute gebe es schon während der Planungsphase von Stallneubauten immer wieder rechtliche Änderungen. Deshalb stehe die Investitionssicherheit für die nächsten 20 Jahre im Koalitionsvertrag. Das müsse jetzt umgesetzt werden. Bayern sollte seinen Minister daran erinnern. „Bürokratieabbau fängt mit der Deregularisierung an. Wir sollten deshalb nicht nur bestehende Regelungen digitalisieren“, sagte Hennies. „Wir können es uns nicht mehr leisten, ständig an unseren Richtlinien zu drehen, zum Beispiel beim Baurecht.“ Vieles ginge einfacher, man müsse es nur wollen.
„Die Politik soll uns ordentlichen Ackerbau mit ausreichendem Pflanzenschutz und Tierhaltung betreiben lassen“, erklärte der norddeutsche Gast. „Bayern und Niedersachsen müssen als die größten Beitragszahler im DBV hier gemeinsam agieren. Das Fenster der politischen Gelegenheiten in den nächsten zwei Jahren müssen wir nutzen. Bayern stellt ja den Agrarminister, Niedersachsen die EU-Kommissionspräsidentin.“ Nach dem Schlusswort „jetzt können wir handeln, das müssen wir aber gemeinsam tun“, bekam er starken Applaus aus dem nicht ganz vollen und ziemlich unruhigen 650-Mann-Zelt.
Landwirtschaft wichtiger Faktor
Landtagsabgeordneter Sascha Schnürer und Landrat Max Heimerl (beide CSU) hatten den niedersächsischen Gast in ihren Grußworten zuvor auf die hohe Bedeutung der Landwirtschaft im Landkreis Mühldorf hingewiesen. Heimerl sagte, von den rund 7000 Betrieben im Landkreis seien etwa 1900 landwirtschaftliche Betriebe. Knapp 87 Prozent der Fläche werde land- oder forstwirtschaftlich genutzt. Dreimal so viele Menschen wie im Durchschnitt von Oberbayern seien hier in der Landwirtschaft beschäftigt. In den vergangenen zehn Jahren sei die Bevölkerung um rund zehn Prozent gewachsen, was zu einer wachsenden Nachfrage nach Wohnraum, Arbeitsplätzen und damit nach Fläche geführt habe. Daher habe er am Montag mit Veit Hartsperger, Geschäftsführer der BBV-Geschäftsstelle Töging-Eggenfelden, eine Bürgermeisterbesprechung durchgeführt.
Veit Hartsperger sagte dazu auf Anfrage, er habe gezeigt, wie Kommunen und Landwirte bei Neubau-Vorhaben einen ökologischen Ausgleich schaffen könnten, ohne gleich ganze Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion herauszunehmen. „Der Landkreis hat jede einzelne Dachfläche digitalisiert, um die Nutzung für die Photovoltaik zu prüfen, bevor wir wieder auf die Fläche gehen“, erklärte dazu Landrat Max Heimerl. „Im neuen Landkreiswerk für erneuerbare Energien arbeiten wir mit den Gemeinden und der Landwirtschaft zusammen.“