Mühldorf – Eigentlich hätte endlich ein Fall am Mühldorfer Amtsgericht verhandelt werden sollen. Richter Florian Greifenstein und zwei Schöffen, Staatsanwältin Regine Grandl sowie die beiden Verteidiger, Veronika Schönsteiner und Jörg Zürner, hatten sich gegen 9 Uhr im Gerichtssaal 116 eingefunden. Auch Zuschauer waren bereits im Raum.
Erschienen nicht
vor Amtsgericht
Wer jedoch fehlte, waren die beiden Angeklagten Markus L. und Samed J. (Namen von der Redaktion geändert). Ihnen wird unter anderem Einbruch, Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung sowie verbotener Alkohol- und Drogenkonsum vorgeworfen.
„Herr J. ist auch schon zum Termin Anfang Juni nicht erschienen“, liest Richter Greifenstein aus den Akten vor. Deswegen sei ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. „Am 26. Juni 2025 ist Herr J. dann festgenommen“ und in ein Münchner Gefängnis gebracht worden“, so der Richter.
Der Haftbefehl sei jedoch aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes von J. aufgehoben worden, fährt Richter Greifenstein fort. J. benötige lebenserhaltende Therapien, die im Gefängnis nicht möglich seien. Die Ladung habe er jedoch erhalten, als er noch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) war, so der Richter. „Mein Mandant hat sich bei mir nicht gemeldet und ich habe auch keine aktuelle Handynummer von ihm“, sagt J.s Verteidiger Jörg Zürner. Der Rechtsanwalt stand extra noch einmal auf und schaute vor der Tür nach, ob J. mittlerweile erschienen sei. Dem war nicht so. Wo sich Samed J. aufhält, wusste im Gerichtssaal niemand.
Auch der zweite Angeklagte, Markus L., erschien nicht. Dabei sitzt er im Gefängnis, in der gleichen Münchner JVA wie J. Sein Aufenthalt ist bekannt, er ist greifbar, kann nicht verschwinden. Eigentlich hätten ihn Polizisten zum Termin bringen sollen.
Vielleicht stehen die Angeklagten im Stau
Vielleicht stehen die im Stau, vermuteten Richter, Anwälte und Staatsanwältin. Immerhin gab es an diesem Tag einen Unfall auf der A94.
Die Protokollführerin schlug vor, in der JVA nachzufragen, ob Markus L. überhaupt auf dem Weg ins Gericht sei.
Die Mitarbeiterin verließ für das Telefonat den Gerichtssaal, kam aber nach wenigen Minuten wieder zurück. Dann stand fest: Die JVA in München hatte den Termin übersehen. Markus L. ist nie losgefahren.
Das hieß für das Schöffengericht, dass an diesem Tag nicht verhandelt werden kann. „Manche Verfahren ziehen sich lange“, seufzte Greifenstein. „Irgendwann kennen wir den Fall auswendig, obwohl wir nicht verhandelt haben.“
Eigentlich war die Sitzung bis in den Nachmittag an diesem Tag angesetzt. Aber schon nach einer halben Stunde musste Richter Greifenstein die Hauptverhandlung vertagen.