Wasserburg – Fahren die Wasserburger zu schnell? Bislang hieß es immer: Nein. Von 1,2 bis 3 Prozent Tempo-Sündern geht der Zweckverband Kommunale Dienste Oberland, der meist hinter den mobilen Blitzern steckt, aus. Auf Antrag der Grünen hat die Stadt dies nun überprüfen lassen. Die Ergebnisse: „Verblüffend“, wie sowohl Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) als auch Thomas Rothmaier vom Bauamt in der jüngsten Bauausschusssitzung meinten. Denn ganz im Gegensatz zum Zweckverband kam die Stadt zum Ergebnis: Viele Wasserburger sind richtige Verkehrssünder.
Kommt ein fester
Blitzer in der Stadt?
Hintergrund für die Prüfung ist eine schon länger anhaltende Debatte rund um eine mögliche Installation eines festen Blitzers in der Stadt.
Auch das ein Antrag der Grünen. Denn ihrer Meinung nach wird in Wasserburg zu schnell gefahren. Voraussetzung für eine solche Installation allerdings: Zehn Prozent aller Verkehrsteilnehmer müssen die Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreiten. Bislang waren alle bekannten Stellen wie Polizei und Zweckverband der Meinung: Dem ist nicht so. Das jüngste Aufstellen eines mobilen Blitzers in der Nähe der Mittelschule sei sogar abgebrochen worden, wie Rothmaier in der Bauausschusssitzung erläuterte. Denn niemand sei in die Radarfalle getappt.
Um zu prüfen, ob diese Mess-Ergebnisse stimmen, hatte sich der Stadtrat aber dazu entschieden, sogenannte Topo-Boxen an den Standorten Salzburger Straße beim Gymnasium, am Klosterweg nahe der Mittelschule und an der Bürgermeister-Schmid-Straße in Reitmehring aufzustellen. Ein meist grauer Kasten, der Verkehrsdaten, beispielsweise Anzahl der Fahrzeuge, Geschwindigkeit und Feinstaubbelastung erfassen kann.
Über zwei Wochen erfassten diese Boxen versteckt die Geschwindigkeiten der Autofahrer, mit dem Ergebnis: Der Großteil der Wasserburger hält sich nicht an die 50. Ganz im Gegenteil: Zwischen 55 und 60 fahren die meisten, unabhängig vom Standort.
„Wenn unsere Messungen stimmen, wären es also weit über zehn Prozent, die zu schnell fahren“, so Rothmaier. Sogar mit 155 km/h bretterte laut den Messungen eine Person durch die Rosenheimer Straße. An der Salzburger Straße wurden sogar zwei Fahrzeuge mit dieser Geschwindigkeit erfasst.
Ein durchaus überraschendes Ergebnis also, sogar so überraschend, dass es vom Zweckverband und der Polizei in Zweifel gezogen wird, wie im Bauausschuss zu hören war. „Der Zweckverband hat nun vorgeschlagen, noch einmal mit seinen Topo-Boxen eine Messung durchzuführen“, so Rothmaier. Christian Stadler (Grüne) fand es allerdings „erstaunlich“, dass die Messungen der Stadt, durchgeführt mit geeichten Topo-Boxen, in Zweifel gezogen würden. „Ein bisschen hat es den Eindruck, wir messen so lange, bis es auch der Polizei in den Kram passt“, meinte Stadler. Viel sinnvoller wäre es, die Ergebnisse der mobilen Blitzer zu hinterfragen. „Wenn einer aufgestellt wird, verbreitet sich das sehr schnell über verschiedene Whatsapp-Gruppen und in allen sozialen Medien.“ Die Leute würden dann schlicht besser aufpassen und langsamer fahren. Die Messungen mit den weniger auffälligen Topo-Boxen würden nun vor allem den Eindruck der Grünen bestätigen, dass in Wasserburg zu schnell gefahren wird.
Auch Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) hegte keine Zweifel daran, dass die Topo-Box-Messungen der Stadt richtig waren. „Blitzer sprechen sich in den modernen Medien so schnell herum, dass die Ergebnisse verfälscht werden.“ Friederike Kayser-Büker (SPD) war ebenfalls der „tiefsten Überzeugung, dass die Messung stimmt.“
Blitzen sei eine regulierende pädagogische Maßnahme, wie auch Studien zeigen würden. Entsprechend würden die Verkehrsteilnehmer bei Messungen und einige Tage danach langsamer fahren.
Es braucht mehr
Kontrollen
Für Christian Peiker (SPD) zeigten die Messergebnisse vor allem, dass grundsätzlich mehr kontrolliert werden müsse. „Wenn die Leute das Gefühl haben, sie werden nicht überprüft, fahren sie schneller.“ Er forderte auch regelmäßige Topo-Box-Messungen, um die Ergebnisse des Zweckverbands zu prüfen und gegebenenfalls nachzubessern. Außerdem könne, stand für Peiker fest, von „Abzocke“ keine Rede sein, sollte der feste Blitzer tatsächlich installiert werden. Dieser Vorwurf war in der Vergangenheit mehrfach aus CSU-Kreisen gekommen. „Wenn ich als Autofahrer schneller fahre als erlaubt, hat das eine Konsequenz“, so Peiker. Kölbl stimmte dem zu: „Rechtswidriges Verhalten hat keine Abzocke zur Folge, sondern eine Ordnungswidrigkeit.“
Auch Stadler betonte, dass es den Grünen nicht darum gehe, jemanden abzuzocken. Ganz im Gegenteil: Die Messergebnisse würden genau den Effekt bestätigen, den sich die Fraktion erhoffe: Dass bei der Installation eines Blitzers langsamer gefahren werde.
Warnung vor
den Kosten
Heike Maas (CSU) plädierte aber dennoch dafür, in der Debatte um einen festen Blitzer nicht die Kosten aus den Augen zu verlieren. Tatsächlich würde sich dessen Installation wohl nach Auskunft des Zweckverbands auf 45000 Euro belaufen. „Und dann kommen noch Folgekosten für Instandhaltung und Wartung hinzu“, mahnte Maas. Dr. Hermann Budenhofer (Freie Wähler Wasserburg-Reitmehring) verwies außerdem darauf, dass gerade im Bereich Bürgermeister-Schmid-Straße in Reitmehring nicht die Geschwindigkeit der Autofahrer das Problem sei, sondern eher die Abbieger. „Das ist ein Problem, das man auch mit Verkehrsüberwachung nicht einschränken kann.“
Mit zwei Gegenstimmen von Heike Maas und Wolfgang Schmid (beide CSU) beschloss der Bauausschuss schließlich, eine zweite Messung mit Topo-Boxen durch den Zweckverband durchführen zu lassen, um die Ergebnisse zu prüfen. Diese müsse bis spätestens Ende März erfolgen.
Anschließend soll an den Standorten verstärkt geblitzt werden. Wie es mit der Debatte um einen möglichen festen Blitzer weitergeht, ist abhängig von den zweiten Messergebnissen.