Mexiko-Stadt – Nach dem schweren Erdbeben in Mexiko ist die Zahl der Todesopfer auf über 250 gestiegen. Verzweifelt suchen die Retter in den Trümmerbergen weiter nach Überlebenden. Wie der Leiter des Zivilschutzes, Luis Felipe Puente, mitteilte, starben allein 115 Menschen in der Millionenmetropole Mexiko-Stadt. Hier stürzten knapp 50, teils sehr hohe Gebäude ein und begruben Menschen unter sich. In der Hauptstadt beteiligen sich tausende Freiwillige am Abtragen der Schuttberge und versorgen Obdachlosgewordene mit Wasser und Essen.
Mit bloßen Händen räumen die Rettungskräfte Stein für Stein beiseite. Vorsichtig, damit der Trümmerhaufen nicht weiter in sich zusammenstürzt. Am Tag nach dem schrecklichen Beben sind noch immer Kinder eingeschlossen unter Bergen von Zement und Stahl – es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Ein Schäferhund entdeckt ein Mädchen in den Trümmern. „Sie hat den Arm bewegt“, ruft ein Feuerwehrmann. Die Helfer schöpfen neue Hoffnung und graben weiter.
Mexiko-Stadt kann hart sein. Eine anonyme Mega-City, in der jeder zuerst an sich denkt, in der Metro geschubst und an der Kasse gedrängelt wird, in der Menschen ihre Nachbarn nicht kennen. Angesichts des katastrophalen Erdbebens allerdings rücken die „Chilangos“ – wie die Hauptstadtbewohner genannt werden – enger zusammen. In den Spendeannahmestellen füllen sich die Lager mit Trinkwasser, Konservendosen, Kleidung und Decken. Selbst im sonst so rauen Straßenverkehr scheint es, als ob die Mexikaner etwas mehr Rücksicht nehmen würden als sonst.
„Wir haben heute 10 000 Sandwiches gemacht und an Erdbebenopfer und Rettungskräfte verteilt“, erzählt Emiliano Robles. Der junge Mann hat mit seinen Freunden aus dem Viertel 25 Lastwagen, dutzende Geländewagen und zahlreiche Motorräder organisiert. Nun verteilt die Gruppe Lebensmittel, fährt Bauschutt ab und bringt Freiwillige zu ihren Einsatzorten. „Die Solidarität ist unglaublich, alle wollen helfen“, sagt Robles.
Roberto Goméz ist auf dem Weg zu seinem nächsten Einsatz. Mit Atemschutzmaske vor dem Mund, einen Bauarbeiterhelm auf dem Kopf und einer Spitzhacke zwischen den Beinen sitzt er auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks. „Wir fahren zu einem eingestürzten Haus. Wir sollen dabei helfen, den Schutt von der Straße zu räumen, damit der Verkehr wieder fließen kann“, erzählt der 29-Jährige.
Sein Kollege Brandon Cuevas ist seit Dienstag fast ununterbrochen im Dauereinsatz. „Wir haben Leute aus einsturzgefährdeten Häusern herausgeholt. Ich habe eine alte Frau, die nicht mehr gut laufen konnte, die Treppen heruntergetragen“, sagt Cuevas. „Wenn so etwas Schreckliches passiert, muss man einfach helfen.“
Die Bergung von Verschütteten ist aber eine Arbeit für die Profis von der Feuerwehr oder dem Zivilschutz. „Wir können jede Hand gebrauchen“, sagt der Freiwillige Robles trotzdem. Der Einsatz müsse natürlich vernünftig koordiniert werden, denn teilweise hätten sich die Helfer an einem Ort geballt, und woanders sei niemand.
„Schon wenige Stunden nach dem Erdbeben sind die ersten Leute mit Thunfischdosen, Wasser und Brot gekommen“, erzählt Sandra Avila, die die Spenden in einer Annahmestelle entgegennimmt. „Alle wollen helfen.“ Zwar ist der Verkehr noch dichter als normal, aber die Autofahrer lassen Rettungswagen und Lastwagen mit freiwilligen Helfern passieren. Nachbarn organisieren sich und sperren Straßen oder kochen eine warme Mahlzeit für die Helfer.
Auf den Trümmerbergen recken die Rettungskräfte immer wieder ihre Fäuste gen Himmel. Es könnte eine trotzige Geste des Widerstands gegen die unbarmherzige Naturgewalt sein. Tatsächlich ist es ein Zeichen, still zu sein, damit das Rufen oder Klopfen den Verschütteten zu hören ist. „Ich bin stolz auf unsere Nachbarschaft“, sagt Abel Rosas, der sich an den Rettungsarbeiten an der Schule Enrique Rébsamen beteiligt. „Es waren junge Leute, Studenten, Nachbarn, die als Erste geholfen haben.“ Rosas räumt Trümmer beiseite und verteilt Schaufeln und Spitzhacken an Freiwillige. „Ich musste einfach helfen. Das war das Einzige, an das ich gedacht habe.“