Ein Jahr nach dem Mord an Maria: Freiburg kämpft mit der Realität

von Redaktion

Freiburg – Die Fotos vom Tatort mit Blumen, Kerzen, Abschiedsbriefen und einem rot-weißen Absperrband der Polizei gingen um die Welt. Sie wurden zum Symbol einer Stadt, die nach dem Mord an einer Studentin und der Festnahme eines jungen Flüchtlings unter Schock steht und in Trauer ist.

Am Montag jährt sich die Tat in Freiburg zum ersten Mal. Sie hat die Universitätsstadt verändert. Und löste, noch vor dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, Debatten über die Flüchtlingspolitik aus.

Seit Anfang September steht der nach eigener Aussage aus Afghanistan stammende Hussein K. vor dem Freiburger Landgericht. Er hat gestanden, die 19 Jahre alte Medizinstudentin, die auch als Flüchtlingshelferin gearbeitet hatte, am Ufer des Flusses Dreisam überfallen, gewürgt und getötet zu haben. Und er hat zugegeben, älter als 17 Jahre zu sein. Dieses Alter hatte er angegeben, als er im November 2015 ohne Papiere nach Freiburg kam und als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingestuft wurde. Die Anklage lautet auf Mord und besonders schwere Vergewaltigung. Ein Urteil wird für Dezember erwartet.

Politisch sind die Folgen der Tat im Freiburger Rathaus zu spüren. „Es ging und geht darum, in einer emotionalisierten Situation kühlen Kopf zu bewahren“, sagt Dieter Salomon. Der Grünen-Politiker ist Oberbürgermeister von Freiburg, einer Stadt mit knapp 230 000 Einwohnern.

„Was mich entsetzt und ratlos gemacht hat, war das schiefe Bild von Freiburg, das bundesweit transportiert wurde“, sagt er. Galt die Stadt im Schwarzwald zuvor als Idylle, sei sie plötzlich „die kriminellste Stadt Deutschlands“ gewesen. „Frauenreisegruppen haben angefragt, in welchem Hotel sie in Freiburg sicher sind“, sagt Salomon. Plötzlich galt das als linksliberal und weltoffen geltende Freiburg als Beispiel einer verfehlten Flüchtlingspolitik. Das Sicherheitsgefühl der Bürger verschlechterte sich deutlich, er habe reagieren müssen, sagt der Oberbürgermeister.

„Wir haben heute eine höhere Polizeipräsenz in der Stadt“, sagt Freiburgs Polizeipräsident Bernhard Rotzinger. Die grün-schwarze Landesregierung schickt seit dem Mord dauerhaft mehr Polizisten nach Freiburg, die Stadt setzt seit vergangener Woche zusätzlich kommunale Ordnungshüter ein. Auch die Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten wird ausgebaut, dunkle Ecken und gefährliche Gebiete sollen mit zusätzlicher Beleuchtung sicherer werden.

„Freiburg ist in der Realität angekommen“, sagt der Polizeipräsident. Und: „Über mehr Polizei auf der Straße freuen sich die Menschen in der Stadt. Das war nicht immer so.“ Eine erste Bilanz zeige, dass die Zahl der Straftaten in den vergangenen Monaten um mehr als zehn Prozent zurückgegangen sei.

Nicht verringert habe sich das Engagement der Flüchtlingshelfer, sagt Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD). „Die Tat eines Einzelnen hat nicht zu einem generellen Stimmungswandel geführt.“ Das berichten auch örtliche Gruppen der Flüchtlingshilfe.

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