Rom – „…und so stieg er bis zur Spitze des Kirchturms, um sich einen Überblick zu verschaffen. Von hier oben konnte er alles genau sehen. Die Fluten hatten bereits den niederen Teil des Ackerlandes erfasst und rollten auf die Stadt zu. Das Wasser stieg und stieg…“ So beschreibt es der italienische Autor Giovanni Guareschi in seinem berühmten Roman „Don Camillos Rückkehr“, und so haben wohl Millionen die Schwarz-Weiß-Szenen aus dem gleichnamigen Film in Erinnerung. Der Po bringt Fluch und Segen zugleich. Er sorgt für reiche Ernte in der Korn- und Obstkammer Italiens, aber seine schlammigen Fluten können genauso Tod und Verderben bringen, Dörfer und Felder verheeren. Die Menschen, die hier leben, wissen seit jeher darum. Im Guten wie im Schlechten hängt ihre Existenz von den Launen des „Vaters aller Flüsse“ ab. Quasi jede Generation hat „ihre“ Jahrhundertflut.
Und so stehen entlang den Dämmen und Deichen hunderte von kleinen Kapellen und Marterln, die den Strom davon abhalten sollen, Unheil zu bringen. Doch nichts konnte den Po diesmal davon abhalten, über die Ufer zu treten und Felder, Höfe, Dörfer und Städte von Piacenza bis Modena unter Wasser zu setzen. Dafür verantwortlich waren die heftigen Niederschläge vom vergangenen Wochenende, als eine meteorologisch seltene Konstellation ganz Norditalien traf. Eine Regenfront vom Westatlantik verband sich mit einem Schwall nördlicher Polarluft und schaffte es über die Alpen. Das Ergebnis waren tief verschneite Südalpen, Schneechaos in Turin und Flockenwirbel in Mailand. Seit zwei Tagen taut es jedoch. Nun rächt sich die Dürre des Sommers. Die Flussbetten des Po und seiner unzähligen Nebenflüsse waren vielfach trocken wie Beton und konnten die Wassermassen nicht aufnehmen.
Neben Don Camillos und Peppones Heimat Brescello sind auch die Ortschaften rund um Parma stark betroffen. So wurden Park und Erdgeschoß des Barockschlosses von Colorno, Sommerresidenz der einstigen Herrscherfamilie Bourbon-Parma, von den braunen Schlammmassen überflutet. Zahlreiche Straßen und Brücken in der Poebene sind unpassierbar, regionale Zuglinien unterbrochen. Auch in Ligurien kam es zu Erdrutschen und Hochwasser.
Von seinem Kirchturm blickte Don Camillo über sein untergegangenes Brescello. Die Menschen waren geflohen, er als Einziger zurückgeblieben. Bauchtief steht er am Sonntag am Altar und liest die Messe. Sieben Tage hatte es ohne Unterlass geregnet. Jetzt kommt erstmals die Sonne hervor. Die Pegel beginnen zu fallen. Darauf hoffen die Menschen am Po auch heute. Allein, die Meteorologen wollen noch keine Entwarnung geben. Michael Feth