Mainz – Husten, Schnupfen, Fieber: Das gegenwärtige Schmuddelwetter treibt die Krankenstände in den Betrieben hoch und füllt die Arztpraxen. Betroffene dürfen darauf hoffen, dass die Beschwerden schnell wieder verschwinden. Doch manche Familien in Deutschland müssen dauerhaft mit solchen Krankheitsbildern leben. Sie heißen nämlich mit Nachnamen Virus, Keuch, Husten oder Schnupf. Die Namensforscher an der Universität Mainz arbeiten schon seit Jahren mit Hilfe der Telefonbücher der Telekom aus dem Jahr 2005 an einem „Digitalen Familiennamenwörterbuch“. Alle in der Bundesrepublik vorkommenden Familiennamen sollen erfasst, erklärt und nach regionalem Vorkommen kartiert werden. Mehr als 14 000 Familiennamen sind bereits bearbeitet, darunter auch manche, die nach ärztlichem Beistand zu rufen scheinen.
Familiennamen gibt es seit dem 12. Jahrhundert. Sie leiten sich aus Vornamen, Berufen der Vorfahren oder auch aus Charaktereigenschaften der ersten Namensträger her. Namen wie „Weiß“, „Roth“ oder „Kraus“ gehen auf Haarfarbe oder Haarbeschaffenheit zurück. Bestimmte Verhaltensweisen führten zu Namen wie „Still“ oder „Stille“.
Aber woher kommen Nachnamen wie Schnupf, Husten oder Virus? Waren die Vorfahren wirklich so sehr von tropfenden Nasen und rasselndem Husten geplagt, dass sie Eingang in die Familiennamengebung gefunden haben? Oft steckt etwas anderes dahinter, wie die Namensforscher herausgefunden haben. „Menschen mit Namen Bazille muss man nicht meiden, denn sie sind nicht ansteckend“, schreiben sie. Der seltene Name beziehe sich nicht auf die Krankheitserreger, sondern sei eine Ableitung des Rufnamens Basile, Bazile (lateinisch Basilius, griechisch Basileos).
Auch der Familienname Virus führt in die Irre. Die kleinsten, Krankheiten übertragenden Partikel wurden erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Der Familienname Virus, den in Deutschland rund 112 Menschen tragen (40 Telefonanschlüsse), kann also nichts mit diesen Krankheitserregern zu tun haben. Die Wissenschaftler vermuten, dass er vielmehr auf den vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen häufig vorkommenden Siedlungsnamen Vierhausen/Vierhus zurückgeht, der Siedlungen bezeichnet, die zunächst nur aus vier Häusern bestanden.
Auch Träger des Familiennamens Wickel haben historisch nichts mit Krankheiten oder Wadenwickeln zu tun. Der Nachname, den in Deutschland etwa 1200 Personen tragen, dürfte aus Rufnamen wie Wickardt und Wickbold entstanden sein. An die Kurzform „Wick“ wurde das Element -el angefügt, möglicherweise eine Verkleinerungsform, die auch der Unterscheidung zwischen Vater und Sohn diente.
Anders sieht es mit den Familiennamen Hust, Huste, Husten und Huster aus: Leute, die auffällig oft husteten, konnten nach Angaben der Namensexperten im Mittelalter durchaus danach benannt werden. Heute ist der Familienname Husten in Deutschland mit 15 Telefonanschlüssen eher selten, Hust und Huste mit 185 beziehungsweise 104 Telefonanschlüssen schon häufiger. Huster weist zwar 866 Anschlüsse auf, doch könnte dieser Familienname teilweise auch auf den Siedlungsnamen Husten zurückgehen, einen Ortsteil der Stadt Drolshagen in NRW.
Dass die Menschen auch schon im Mittelalter mit verstopften Nasen und Niesanfällen zu kämpfen hatten, beweist der Familienname Schnupf, der mit elf Telefonanschlüssen belegt ist. Das mittelhochdeutsche Wort snupf, snupfe bedeutete auch damals schon „Schnupfen“. Beim ersten Namenträger dürfte es sich demnach um eine Person gehandelt haben, die ständig verschnupft war, sei es wegen besonderer Anfälligkeit oder weil die Atemwege durch den Beruf dauerhaft belastet waren, etwa beim mehlstaubgeplagten Müller oder im kalten Bergbau.
Auch der Familienname Keuch lässt schwere Atemleiden erahnen. Beim ersten Namensträger handelte es sich vermutlich um einen Asthmatiker oder jemanden, der aus sonstigen Gründen Atembeschwerden hatte. Heute ist der Name in der Datenbank der Telekom 57 Mal belegt. Auch die Varianten Keucher und die häufige Verkleinerungsform Keuchel gehören zu dieser Bedeutung.