Düsseldorf – Auch im Karneval kann man gegen Antisemitismus kämpfen – mit Humor: Erstmals in der Geschichte des Karnevals will sich eine jüdische Gemeinde mit einem Mottowagen an einem Rosenmontagszug beteiligen. Am 12. Februar wird beim Düsseldorfer Zug ein Wagen besonders auffallen: Die jüdische Gemeinde Düsseldorf schickt den spöttischsten Sohn der Stadt, den Dichter Heinrich Heine (1797–1856), in das närrische Treiben.
Niemand in den Karnevalshochburgen kann sich erinnern, dass es mal einen jüdischen Mottowagen bei einem Rosenmontagszug gab. Seit der Nazi-Diktatur, die für ihre antisemitische Hetze auch die Karnevalszüge in Köln missbrauchte, schien es undenkbar, dass jüdische Vereine noch einmal die Nähe zu Jecken suchen könnten.
Für den Verwaltungsdirektor der Düsseldorfer Gemeinde, Michael Szentei-Heise, sind Karneval und Kampf gegen Antisemitismus kein Widerspruch. Auch mit Humor kann man zurückschlagen. „Wir haben eine Zeit, in der der Antisemitismus wieder hoffähig wird und von der extrem rechten und der extrem linken Ecke langsam wieder in die Mitte der Gesellschaft wandert“, sagt er. Dagegen müsse ein Zeichen gesetzt werden. „Wir sind ein Teil der Düsseldorfer Stadtgesellschaft. Wir gehören dazu.“
Um das 35 000 Euro teure närrische Projekt zu finanzieren, hat die Gemeinde eine Spendenaktion gestartet. Die Kamellen, die vom Wagen geworfen werden, sind koscher und vegan. „Da sind keine tierischen Bestandteile drin, keine Gelatine“, sagt Szentei-Heise. Hergestellt werden die Bonbons in Belgien.
Aber auch im Karneval ist die Gemeinde vorsichtig. So wie alle jüdischen Institutionen und Gebäude immer besonders bewacht werden, werde es auch „besondere Sicherheitsvorkehrungen“ für den Mottowagen geben. Optisch werde es aber nicht anders aussehen als bei anderen auch, sagt Szentei-Heise.
Der Wagen-Entwurf zeigt einen schreibenden Heinrich Heine, mit Kippa und Gebetsschal auf der Düsseldorfer Stadtsilhouette liegend. „Wir feiern den größten jüdischen Sohn unserer Stadt“, ist in großer Schrift zu lesen. Dass Heine vom Judentum zum Protestanismus konvertierte, zu dem er sich nach eigenem Bekunden nur „in lauer, offizieller Weise bekannte“, macht das Thema pikant. Als getaufter Protestant hoffte er, bessere Chancen in der Gesellschaft zu haben.
Mit dem ersten jüdischen Mottowagen wird in der Geschichte des Karnevals ein neues Kapitel aufgeschlagen. Für Köln etwa sei seit dem 19. Jahrhundert nachzuweisen, dass jüdische Bürger Mitglieder der Karnevalsgesellschaften waren, sagt der Historiker Marcus Leifeld. Ab 1923 aber seien jüdische Karnevalisten ausgeschlossen worden. Nun zeichnet sich eine Renaissance ab. So gründe sich in Köln zurzeit eine jüdische Karnevalsgruppe, sagt Tanja Holthaus vom Festkomitee Kölner Karneval.
Die Reaktionen der jüdischen Gemeinden auf den Düsseldorfer Wagen waren laut Szentei-Heise „individuell“. Die Krefelder fanden die Idee gut und spendeten, eine andere Gemeinde zeigte kein Verständnis. Szentei-Heise sagt, er wolle „mit einem Augenzwinkern und einem Schmunzeln“ auf ernsthafte Probleme hinweisen.