Von China bis Trinidad: Wie Menschen soziale Medien nutzen

von Redaktion

Berlin – Die Nutzung von sozialen Netzwerken unterscheidet sich nach Studien drastisch in verschiedenen Ländern und Kulturen. Stark ins Digitale habe sich etwa das Leben chinesischer Fabrikarbeiter verlagert, sagte der britische Anthropologe Daniel Miller im Interview der „Welt“. Ihr Beruf eigne sich nicht, um Kontakte zu knüpfen. „Das wahre Leben – wo sie sich entfalten und amüsieren und unter Leute kommen, also kurzum das tun können, wonach ihnen ist – findet für sie online statt“.

Das Gegenbeispiel finde sich etwa in Süditalien: Dort schlenderten die Menschen gern durch die Stadt und träfen Freunde in Cafés. „Für sie sind die sozialen Medien nicht so wichtig; sie leben offline und sind vollauf zufrieden damit.“ Auch sozial aktive Menschen nutzten allerdings oftmals die digitalen Netzwerke, so Miller, der seit 2009 zu diesem Thema forscht.

Generell lasse sich sagen, dass die weltweite Kommunikation visueller werde: „Alle posten mehr Selfies, alle verwenden mehr Memes.“ Die Zusammenhänge unterschieden sich jedoch, erklärte der Wissenschaftler. So hätten die Forscher festgestellt, dass junge Mütter in England ihr Profilbild rasch durch ein Babyfoto ersetzten. „Sie verschwinden förmlich hinter ihrer Mutterrolle.“ In Trinidad posteten junge Mütter dagegen Partyfotos, um zu zeigen: „Nur, weil ich jetzt Mutter bin, heißt das nicht, dass ich nicht weiter als Frau durch die Welt gehe. Beide Gruppen kommunizieren also ihre Vorstellung von Mutterschaft auf Facebook mit visuellen Mitteln – drücken dabei aber komplett gegensätzliche Dinge aus.“

Er denke nicht, dass Menschen durch soziale Netzwerke selbstverliebter würden, fügte Miller hinzu. „Die Leute sind dort, weil es sie interessiert, wie andere auf sie reagieren.“ Facebook sei eine soziale Umgebung: „Wir übersehen, wie stark bei Facebook soziale Aspekte beeinflussen, wie eine Person dort wahrgenommen wird.“ Auch dies sei in anderen Weltregionen anders gelagert: So lebe etwa in China die Mehrheit der Menschen in Großfamilien auf dem Land, in denen es traditionellerweise kaum Privatsphäre gebe. „In diesen Regionen ermöglichen die sozialen Netzwerke den Menschen nun ausgedehnte private Beziehungen und Unterhaltungen, die es für sie so noch nie zuvor gegeben hat.“

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