Leistungsfähigkeit im Straßenverkehr

Fahr-Begleitung für Senioren im Auto

von Redaktion

Berlin – Sehkraft und Reaktionsfähigkeit lassen nach, der Schulterblick fällt zunehmend schwerer. Doch der altersbedingte Rückgang verschiedener Fähigkeiten heißt noch lange nicht, dass Autofahrer nicht auch im hohen Alter noch fahrtüchtig wären. Aber was können sie tun? Experten geben Antworten.

Weil es immer wieder auch sehr schwere Unfälle mit älteren Verkehrsteilnehmern gibt und diese Altersgruppe im Straßenverkehr noch stark zunehmen wird, sieht Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer Handlungsbedarf: „Schon heute verursachen Senioren drei Viertel aller Unfälle, an denen sie beteiligt sind.“ Dieser Anteil sei damit höher als bei der Hochrisikogruppe der 18- bis 21-Jährigen.

Brockmann plädiert für Rückmeldefahrten. Darunter werden begleitete Fahrten mit einer Dauer von 45 bis 60 Minuten verstanden, in denen Senioren zum Beispiel mit einem Verkehrspsychologen im ganz normalen Straßenverkehr unterwegs sind. „Das Ziel ist es, der Altersgruppe ab 75 eine Rückmeldung zu geben, wie fit sie für den Straßenverkehr ist und was sie möglicherweise auch noch besser machen kann“, sagt Brockmann. Denn unbestritten sei, dass ältere Autofahrer vor allem bei komplexen Verkehrssituationen Probleme hätten.

Keine Alternative sind nach Meinung von Experten rein medizinische Untersuchungen, wie sie in einigen europäischen Nachbarländern vorgenommen werden. „Es bringt praktisch nichts, einfach nur einen Sehtest zu machen und/oder andere körperliche Funktionen in einem Schnelltest zu checken“, sagt Professor Matthias Graw von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin. Dies habe auch das Beispiel Schweiz gezeigt, wo ältere Autofahrer alle zwei Jahre eine Untersuchung bei einem Hausarzt machen lassen müssen. Auf die Unfallzahlen hat sich dies bislang jedoch nicht positiv ausgewirkt.

Eine Rückmeldefahrt unter realistischen Bedingungen sei die beste Methode, die Leistungsfähigkeit im Straßenverkehr tatsächlich zu überprüfen, sagt Graw.

Wie allerdings solche Rückmeldefahrten durchgeführt werden und ob es hierzu eine Verpflichtung geben soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Durch die Fahrten werde auch das Anspracheproblem in vielen Familien angegangen, wenn die jüngere Generation sich nicht traut, die Eltern auf das heikle Thema Fahreignung anzusprechen. Das Ergebnis einer Fahrt bleibe unter vier Augen. Der Senior wisse dann aber, wo er steht, und könne eigenverantwortlich seine Schlüsse daraus ziehen.

Brockmann plädiert dafür, die Rückmeldefahrten zunächst auf freiwilliger Basis einzuführen. „Wenn weniger als die Hälfte eines Jahrgangs teilnimmt, müssen wir aber auch über eine Verpflichtung nachdenken“, so der Unfallforscher. Das Thema Freiwilligkeit sieht Thomas Wagner von der Expertenorganisation Dekra anders: „Unsere Erfahrung mit Mobilitätschecks zeigt, dass sich kaum jemand freiwillig meldet“, sagt der Verkehrspsychologe.

Wagner plädiert auch für eine zweistufige Rückmeldefahrt ohne rechtliche Konsequenzen für den Fahrer. Im ersten Schritt gebe der Experte eine Rückmeldung nur an den Senior. „Stellt er jedoch Defizite wie zum Beispiel Aufmerksamkeits- oder Reaktionsleistungsschwächen fest, müssten diese in einer zweiten Überprüfung, zum Beispiel durch einen Verkehrspsychologen oder Verkehrsmediziner, weiterführend abgeklärt werden.“

Beachtet werden müsse im Zusammenhang mit den Rückmeldefahrten, dass es hier vor allem um die Überprüfung kognitiver Fähigkeiten gehe, so Wagner. „Es muss also beurteilt werden, wie der Verkehrsteilnehmer Signale aus der Umwelt wahrnimmt und weiterverarbeitet.“ Studien belegten auch, dass ältere Kraftfahrer ihre Fähigkeiten systematisch überschätzten.

Ob und wie Rückmeldefahrten tatsächlich auf Senioren zukommen, steht noch in den Sternen. Aktuell gibt es mehrere Projekte dazu. „Ich rechne damit, dass die Rückmeldefahrten in fünf oder sechs Jahren eingeführt werden könnten“, sagt Brockmann, der einen deutlichen Anstieg der Unfallzahlen von Senioren in rund zehn Jahren erwartet.

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