„Gott, steh mir bei!“

von Redaktion

Tausende Tote nach Tsunami in Indonesien befürchtet

VON CHRISTOPH SATOR UND AHMAD PATHONI

Palu – Auf dem Parkdeck der Grand Mall, des großen Einkaufszentrums von Palu, oberhalb des Strands, fühlen sich die Leute anfangs noch sicher. Einige filmen mit dem Smartphone hinaus aufs Meer. Zu sehen ist, wie eine mächtige Welle aufs Land zurollt. Langsam zwar, aber mit großer Gewalt. Als sie auf die Küste trifft, ist es mit dem Gefühl der Sicherheit vorbei. Das Bild verwackelt. Eine Frau ruft: „Gott, steh mir bei!“ Dann ist alles schwarz.

Das war der Moment, in dem am Freitagabend nach einer Serie von Erdbeben ein Tsunami auf die Westküste der indonesischen Insel Sulawesi traf. Die vorläufige Bilanz, allein aus Palu, einer Stadt mit etwa 350 000 Einwohnern: mindestens 821 Tote und mehr als 540 Schwerverletzte. In den Ruinen der Häuser und im Schlamm werden noch Dutzende vermisst, auch fünf Ausländer. Niemand glaubt, dass es bei den Opferzahlen bleibt.

Ähnlich sieht es vermutlich an vielen anderen Orten entlang der Westküste von Indonesiens viertgrößter Insel aus. Weil die Beben die Straßen aufgerissen haben, kommt kaum jemand durch. Übers Wochenende gab es auch immer wieder Nachbeben. Befürchtet wird, dass die Zahl der Toten letztlich in die Tausende geht. Alles in allem sind etwa 300 Kilometer Küste betroffen, mit mehr als 1,5 Millionen Menschen.

Viele dort leben noch von der Fischerei, in Donggala zum Beispiel, einer Gemeinde weiter oben im Norden, etwa 20 Kilometer von der Stelle, wo das schlimmste Beben sein Zentrum hatte. Die Zwischenbilanzen gibt regelmäßig der Sprecher von Indonesiens Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Nugroho, bekannt. Bislang sagt er stets noch einen Satz dazu: „Wir erwarten, dass die Zahlen noch steigen.“ In dem Riesenland aus 17 000 Inseln, die alle auf dem Pazifischen Feuerring liegen, der geologisch aktivsten Zone der Erde, haben sie damit Erfahrung. Hier bebt die Erde immer wieder. Erst kürzlich starben auf Lombok, der Nachbarinsel von Bali, mehr als 500 Menschen. Auch Vulkanausbrüche sind keine Seltenheit.

Und alle erinnern sich jetzt natürlich auch wieder an den verheerenden Tsunami an Weihnachten 2004. Von allen Ländern in der Region hatte Indonesien damals die meisten Toten zu beklagen: mehr als 160 000. Seither sind die Leute besser vorbereitet. Wissen, dass sie landeinwärts flüchten sollen, auf höher gelegene Gebäude oder Straßen. Nicht allen hat das jetzt geholfen. Am Sonntag begannen sie damit, die Toten in Massengräbern beizusetzen.

Bevor das Meer wieder über Land hereinbrach, hatte auf Sulawesi mehrmals die Erde gebebt. Am Abend, als es schon dunkel wurde, gegen 18 Uhr (Ortszeit), kam dann das schlimmste Beben: Stärke 7,4. Die dadurch ausgelösten Wellen waren bis zu sechs Meter hoch.

Besonders schlimm hat es Palu getroffen: die größte Stadt an der Westküste, in einer engen Bucht gelegen, was den Tsunami wohl noch schlimmer gemacht hat. Auf den Videos ist zu sehen, wie die Wassermassen ganze Häuser mit sich reißen und Menschen, Autos, Mopeds, Bäume dazu. Auch die große Moschee mit ihrer grünen Kuppel, wo sich die Gläubigen gerade zum Freitagsgebet versammelten, ist schwer beschädigt. Und die Grand Mall, auf deren Parkdeck die Leute die herannahende Welle filmten.

Inmitten all des Leids hat aber auch schon eine Diskussion begonnen, ob tatsächlich alles getan wurde, um die Auswirkungen des Tsunamis so gering zu halten wie möglich. Die Behörden lösten zwar Tsunami-Alarm aus, hoben ihn nach nur 34 Minuten aber wieder auf – aus Sicht von Kritikern viel zu früh. Am Strand von Palu, wo viele auf den Beginn eines Festivals warteten, wurde überhaupt nicht gewarnt. Katastrophenschutz-Sprecher Sutopo bestätigt: „Es gab keine Sirene. Viele waren sich der Gefahr nicht bewusst.“

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