Rom – Das Geheimnis um die Knochenreste, die vor wenigen Wochen bei Bauarbeiten in der Päpstlichen Nuntiatur bei der Republik Italien ans Tageslicht kamen, wird immer mehr zum filmreifen Thriller. Die römische Polizei, die umgehend nach dem Fund von Mitarbeitern der Botschaft informiert wurde, konnte anhand von Indizien zunächst feststellen, dass es sich um weibliche Überreste handelte. Das wiederum führte die Medien auf die Fährte der 1983 unter mysteriösen Umständen verschwundenen Emanuela Orlandi, der halbwüchsigen Tochter eines päpstlichen Dieners aus dem Vatikan. Das Geheimnis blieb bis heute ungelöst, von Emanuela Orlandi fehlt jede Spur.
Den erregten Mutmaßungen, dass es sich bei Knochen um die Überreste der jungen Vatikan-Bürgerin handeln könnte, setzten Ermittlerkreise nun ein Ende. DNA-Probe und Altersbestimmung hätten ergeben, dass der Fund eindeutig vor dem Jahr 1983 datiere, also dem Jahr des Verschwindens von Emanuela. Mithin müsse es sich bei der Toten um eine andere Person handeln.
Stammen die Reste des Skeletts etwa aus der Antike? Das wäre in Rom nichts Ungewöhnliches; fast bei jeder Grabung in der Ewigen Stadt kommen die verschiedensten Zeugnisse der reichen Vergangenheit ans Licht. Nein, heißt es aus Kreisen der Polizeibehörden; dafür wiederum seien die Knochen nicht alt genug. Sie stammten wohl aus dem letzten Jahrhundert. Eine genauere Bestimmung brauche noch etwas Zeit.
Nun ist der elegante Palazzo Giorgina unweit der berühmten Villa Borghese seit Anfang der 50er-Jahre Sitz der vatikanischen Botschaft in Italien. Der jüdische Bankier Isaia Levi hatte sie dem Heiligen Stuhl vermacht – aus Dank für die Rettung tausender Juden während der deutschen Besatzung Roms im Zweiten Weltkrieg. In den 60er-Jahren, so ist es aktenkundig, wurde die Frau des Botschaft-Portiers als vermisst gemeldet; sie tauchte nie wieder auf. Sie wohnte mit ihrem Mann in einer Dependance im Park der Villa – genau dort, wo jetzt die Knochen gefunden wurden. Hat etwa der Hausmeister seine Gattin umgebracht und unter der Terrasse verscharrt? Einen vagen Verdacht hatten die Ermittler, so zeigen die archivierten Berichte, wohl schon damals; es fehlte jedoch das entscheidende Indiz: die Leiche. Ein Mordfall in der Päpstlichen Nuntiatur also? Die Ermittler versuchen, das Puzzle Stück für Stück zusammenzusetzen. Die an Intrigen, Verschwörungen und Meuchelmorden wahrlich reiche Kriminalgeschichte des päpstlichen Roms wäre um eine Fußnote reicher. INGO-MICHAEL FETH