Berlin – Was kommt heraus, wenn sich Berliner Designer ganz ihren Gefühlen hingeben? Jede Menge Farbe, jede Menge Handwerk – und ein bisschen Kitsch. Kollektionskritiken von Manuel Almeida Vergara:
William Fan zum Beispiel präsentiert einen lässig fließenden schwarzen Hosenanzug, dessen rechten Ärmel feingliedrige Muster zieren. Bloß die eine Körperpartie will der Liebling der Berliner Szene allerdings nicht in den Fokus setzen. Viel eher will Fan die Trägerin in Gänze zum Glänzen bringen. „In meiner Kollektion geht es um den Wunsch, für fünf Minuten im Scheinwerferlicht zu stehen“, sagt er. „Inspiriert wurde ich von der Karaokebar als asiatische Alltagskultur.“ Da singt sich ein Businessmann die Seele aus dem Leib, da schmettert die Frau im kleinen Schwarzen ihren Lieblingshit, gerade noch im Büro, jetzt schon auf der Bühne. „Business in the front, Party in the back“, sagt Fan programmatisch. Sichtbar wird das gerade in einer Mantel-Hosen-Kombination, die von vorne komplett kariert erst auf der Rückseite eine großflächige Paillettenpartie offenbart.
Überhaupt: all der Glitzer! Auch der spielte auf der Berliner Modewoche eine große Rolle. Neben dem gekonnten Mustermix und Laisser-faire Schnitten, für die Otto Drögsler and Jörg Ehrlich ohnehin bekannt sind, präsentierten sie für ihr Label Odeeh in dieser Saison auch viele Glanzpunkte. Schimmerndes Material, ausgeprägtes Volumen, Fransenelemente – es gehört schon jede Menge Können dazu, diese Modenarreteien zusammenzubringen, ohne der Albernheit zu verfallen. Drögsler und Ehrlich aber können’s eben: Ihr lässig geschnittenes Kleid mit besagten Spielereien ist ein regelrechtes Fest für die Augen.
Alles auf Party – das ist auch bei Marina Hoermanseder immer wieder Programm. Mit starken Farben und exaltierten Schnitten entführte die Designerin diesmal in die 80er-Jahre. Wie gut, dass da gerade Leder so beliebt war: Ohnehin widmet sich Hoermanseder gern dem glatten Material, in lauten Farben wirkte ihr Leder diesmal besonders spannend.
Zum Feiern war auch Dawid Tomaszewski zumute, sein Label besteht seit zehn Jahren. Aber sich deswegen bloß selbst begießen – das ist nicht Tomaszewskis Stil. „Ich feiere das 100. Bauhaus-Jubiläum gleich mit“, sagt er, ohnehin begleite ihn ein Bauhaus-Print durch seine Karriere. „Diesmal haben wir den Druck teilweise in seine Einzelteile zerlegt und ihn in starken Farben inszeniert“, sagt Tomaszewski. Und trifft damit einen weiteren Trend der Modewoche.
Während etwa das Männerlabel Ivanman ganze Teile in satten Türkis- und Gelbtönen präsentierte oder der Nachwuchsdesigner Richert Beil alarmrote Mäntel über den Laufsteg schickte, gefiel sich Tomaszewski im Spiel mit dem farbenreichen, kunstvollen Druck. „Ansonsten zeige ich viel Glitzer, viel Federn, viel Tüll“, sagt er. „Wie immer bei Tomaszewski: More is more.“
„Mehr ist mehr“ – auch das wäre eine gute Frauenzeitschriftenüberschrift. In dieser Saison heißt das fantastischerweise: mehr Handwerk. Selten präsentierte sich die Berliner Mode so detailversessen. Keine aber beherrscht das Modemachen von Hand besser als Odély Teboul: Dieses Mal hat sie mit Recycling experimentiert: „Ich schneide Strickmaterialien auseinander und füge sie neu zusammen oder mache Outfits aus Teilen alter Stücke.“Inspiriert
durch das Gefühl der Gefühle wurde Malaika Raiss: „Irgendwie bin ich an dem Film ‚Love Story’ hängen geblieben“, erzählt sie, „einer sehr romantisierten Darstellung der ewigen Liebe.“ Dementsprechend zeichnet die Designerin mit ihrem Label Malaikaraiss besonders weiche Linien, zeigt fließende Linien im Stil der 70er und nutzt metallische Garne. Gut gemachte Produkte gebe es heute schließlich genug. „Womit du letztendlich aus dieser Masse herausstechen und verkaufen kannst, ist die Emotion“, so Raiss.
Und damit schließt sich der Berliner Kreis: Emotionen gab es auf dieser Modewoche genug, die Freude an der Farbe, die Leidenschaft für das Handwerk, die Liebe zur Mode. „Gefühle sind das neue Schwarz“, stünde jetzt in einer Frauenzeitschrift.