„Franziskus hat enttäuscht“

von Redaktion

Marie Collins wurde als 13-Jährige von einem Priester vergewaltigt. 2014 berief Papst Franziskus sie in die päpstliche Kinderschutz-Kommission. 2017 trat Collins aus Protest zurück: Sie beklagte den Widerstand in der Kurie.

Wie optimistisch sind Sie, dass der Vatikan-Gipfel Veränderung bringt?

Ich bin nicht sehr optimistisch. Aber die Konferenz hat das Potenzial, zu einem Wendepunkt zu werden, wenn die Teilnehmer die Chance ergreifen. Wir werden sehen.

Sie nahmen mehrfach an Kursen für Bischöfe teil, in denen diese für Kinderschutz sensibilisiert wurden. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

In meinen Gesprächen mit ihnen wurde mir klar, dass die Bischöfe völlig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was unter sexuellem Missbrauch zu verstehen ist. Das Kirchenrecht spricht ja auch ganz vage von „Verstößen gegen das sechste Gebot“. Auch die Parole „null Toleranz“ interpretieren sie ganz unterschiedlich. Manche Bischöfe, zum Beispiel aus Amerika oder Australien, sind schon sehr weit. Andere interessieren sich gar nicht für das Thema oder meinen, es sei nicht relevant.

Was sollte auf der Konferenz konkret passieren?

Wir brauchen eine in der gesamten Kirche verankerte Definition davon, was genau unter sexuellem Missbrauch zu verstehen ist. Dasselbe gilt für die Konsequenzen der Taten. Franziskus verspricht „null Toleranz“. Die Öffentlichkeit versteht darunter die Entlassung eines Priesters aus dem Priesterstand, wenn er als Täter überführt ist.

Wie sehen Sie die Rolle von Papst Franziskus beim Thema Missbrauch?

Der Papst hat enttäuscht. 2014 setzte er eine Kinderschutzkommission ein und nahm deren Empfehlungen an. Als aber die Kurie sich dagegen wehrte, die empfohlenen Veränderungen umzusetzen, tat er nichts. Er hat viele gute Ankündigungen gemacht, etwa „null Toleranz“, aber er hat das in der Universalkirche nicht umgesetzt. Seine Worte sind gut, aber es folgen keine Taten.  jmm

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