Ibiza-Stadt – Affären und Politskandale entstehen selten vor den Augen der Öffentlichkeit. Im Fall von Heinz-Christian Strache spielte sich das Treffen, das ihn aus dem Amt katapultieren sollte, fern von Österreich, ja sogar fern vom Festland ab – in einer abgelegenen Ecke der Baleareninsel Ibiza. Von der Landstraße geht es auf einem unscheinbaren Sträßchen rechts ab, an Baustellen und Einfamilienhäusern vorbei. Nach rund 600 Metern Fahrt steht sie da, eher unscheinbar, im typischen Weiß der Insel: die Finca, in der die Affäre um den österreichischen Vizekanzler ihren Anfang nahm.
Ein eisernes braunes Tor versperrt die Einfahrt. Durch den mit Schilf verhangenen Zaun kann man teilweise in den Hof schauen, aus dem Haus dringen Stimmen – offenbar haben sich Touristen dort eingemietet, denn die Finca wird von einem Italiener auf der Plattform Airbnb unter dem Namen „Architect Country Villa“ für einen Inselurlaub angeboten. „10 Gäste, 4 Schlafzimmer, 5 Betten, 4,5 Bäder“, heißt es auf der Webseite – das Ganze, etwa im Juli, für 1100 Euro pro Nacht.
Hier wurden im Juli 2017 heimliche Videoaufnahmen gemacht, auf denen zu sehen ist, wie Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchin öffentliche Aufträge in Aussicht stellte, wenn sie seiner FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe. Direkt hinter dem Anwesen liegt ein Kiefernwald, der als privates Jagdgebiet gekennzeichnet ist. Ein Hund bellt, Bäume wiegen sich in sanfter Brise. Würde der Lärm von der Landstraße zwischen Ibiza-Stadt und Sant Antoni de Portmany nicht hochdringen, es wäre ein Idyll.
Im Nachbardorf Sant Rafael, keine fünf Autominuten von der Villa entfernt, nimmt man das politsche Drama, das hier entfesselt wurde, gelassen. In der hintersten Ecke der Dorfkneipe „Es Cruce“ sitzen sieben ältere Herren beim Kaffee zusammen. Beim wöchentlichen Stammtisch gibt es viel zu besprechen: Die Europawahl und die Regionalwahlen in Spanien etwa, oder das spanische Pokalfinale, bei dem Valencia den FC Barcelona geschlagen hat. Die „Ibiza-Affäre“, wegen der die Insel in Österreich und Deutschland in aller Munde ist, gehört nicht dazu. „Ich habe das in den Nachrichten gesehen mit dem Politiker“, sagt einer der Männer. „Aber hier im Dorf war das kein Thema.“
Diese unaufgeregte Haltung gegenüber Prominenten findet man häufig bei den Ibizenkern, wie die Bewohner der ehemaligen Hippie-Hochburg genannt werden. Heute tummeln sich hier im Sommer die Reichen und Schönen. „Wer alles da ist, bekommt man aber kaum mit“, sagt ein Lehrer aus der Gemeinde Santa Eulària. Auf der Insel gebe es viele versteckte, nur über schmale Wege erreichbare Häuser in den Bergen. „Wer nicht gesehen werden will, wird hier nicht gesehen: der steigt aus dem Privatflugzeug an einem eigenen Terminal in eine Limousine mit verdunkelten Scheiben und fährt direkt zur Villa.“ Oder auch zu einer der Luxusjachten, die unterhalb der festungsartigen Altstadt von Ibiza-Stadt im Hafen ankern.
Ab und zu werde bekannt, dass wieder irgendein Promi ein Haus gekauft habe, „aber das war’s dann auch schon“, so der Lehrer. „Die Menschen haben hier andere Probleme. Und ganz ehrlich – selbst wenn Jennifer Lopez am Strand entlang spaziert, würde ich sie wohl kaum erkennen, wenn sie eine Sonnenbrille trägt.“
Die Mieter der teuren „Strache-Villa“ sind im Partyviertel mit Longdrinks für 3,90 Euro wohl kaum anzutreffen. Der Vermieter will kein Interview geben. Aber immerhin lässt er auf Anfrage durchblicken, dass ihm die Insel-Affäre keine Flut an neuen Buchungen eingebracht hat. Auch Schaulustige sind nirgends zu sehen.