Las Cruces – Vom „Spaceport America“ sollen schon im nächsten Jahr die ersten sechs gut betuchten Bürger gemeinsam zum privaten Weltallausflug starten. Beim Wettrennen um den All-Transport von Touristen und Fracht 50 Jahre nach der Mondlandung konkurrieren zwei US-Milliardäre – der Amazon-Gründer Jeff Bezos (mit dem „Blue Origin“-Projekt) und Tesla-Chef Elon Musk („SpaceX“) – mit dem Briten Sir Richard Branson und dessen „Virgin“-Imperium um den Zukunftsmarkt. Branson, der Hauptmieter auf dem „Spaceport America“ in der Wüste des US-Bundesstaates New Mexico, scheint nun die besten Chancen zu haben, bald als Tourismus-Pionier in die Geschichte einzugehen. Noch in diesem Jahr soll die „Virgin Galactic“-Sparte an die Börse gehen. Und schließlich haben mehr als 600 Menschen bei ihm bereits bis zu 250 000 US-Dollar für ein Ticket angezahlt, das ihnen bald einen eineinhalbstündigen Flug in die Schwerelosigkeit sichern soll.
Doch Rückschläge haben den Terminplan Bransons in den letzten Jahren auf den Kopf gestellt – und damit auch das „Spaceport America“-Team zum Warten verdammt. Vor allem der Crash eines „SpaceShipTwo“-Testmodells in der kalifornischen Mojave-Wüste im Oktober 2014, bei dem der Co-Pilot starb und der Pilot schwer verletzt wurde, hat Zweifel an der Zuverlässigkeit der „Virgin Galactic“-Technologie geweckt, obwohl der Absturz durch einen Bedienungsfehler des Co-Piloten verursacht wurde. Ein weiterer Testflug, der im Januar 2018 erfolgreich verlief, sorgte dann auch auf dem „Spaceport America“ wieder für Optimismus. In den kommenden zwei Monaten will Branson bereits fertiggestellte Raumschiffe und Träger-Flugzeuge von Kalifornien nach New Mexico verlegen, dazu mindestens 100 Techniker und ihre Familien.
Ein Zeichen dafür, dass der Jungfernflug spätestens 2020 stattfinden wird, wie Dan Hicks, der Chefmanager des „Spaceport America“ erklärt. „Noch zwei oder drei Testflüge des VSS Unity-Raumschiffs, dann dürfte das grüne Licht von den US-Behörden für Virgin Galactic kommen,“ zeigt er sich zuversichtlich. Schließlich passt auch das Branson-Projekt gut zu den Absichten der Trump-Regierung, dem Weltraum wieder einen größeren Stellenwert zu geben. Der US-Präsident hat der NASA verordnet, bis 2024 wieder Astronauten auf den Mond zu schicken und den Mars ins Visier zu nehmen.
Der „Weltraumhafen“ besitzt eine Start- und Landebahn, die dank ihrer Länge von über vier Kilometern auch für Jumbo-Jets geeignet ist. Der gesamte Luftraum über dem „Spaceport“ ist für den kommerziellen Luftverkehr gesperrt – auch weil gleich nebenan, nur durch eine Bergkette getrennt, die „White Sands Missile Range“ liegt. Ein weiträumiges Testgelände der US-Luftwaffe, auf dem auch schon Tornado-Piloten aus Deutschland trainierten.
Zudem liegt Truth or Consequences, der nächste Ort, rund 50 Kilometer vom „Spaceport“ entfernt. „Die geschätzte Opferrate, wenn etwas schiefgehen sollte und Sachen vom Himmel fallen, ist also extrem niedrig“, erklärt Hicks. Auf den Ernstfall bereitet man sich, obwohl noch kein festes Datum für den ersten „Virgin Galactic“-Flug im Kalender markiert wurde, bereits jetzt vor. Ein Dutzend Feuerwehrleute mit Spezialfahrzeugen lebt auf dem „Spaceport“, denn abgesehen vom Aspekt des Weltraum-Tourismus ist die Luftfahrtindustrie hier recht rege. Der Boeing-Konzern hat in einem Hangar, der nicht betreten werden darf, kürzlich ein Modell des „CST-100 Starliner“ geparkt, das ebenfalls Menschen und Material in die Schwerelosigkeit befördern soll. Bereits 300 Raketenstarts hat es auf dem „Spaceport“ von anderen Unternehmen gegeben. Und schließlich stünde, wenn sich die US-Raumfahrt bei bemannten Missionen nach russischem Vorbild für Landungen auf Land statt im Wasser entscheiden sollte, hier ein nach Ansicht von Hicks „perfektes Gebiet“ zu Verfügung.
Für die Bürger in Truth or Consequences hat sich der Traum vom Wirtschaftsaufschwung durch den „Spaceport America“ und zahlungskräftige All-Touristen allerdings noch nicht erfüllt. Ed Townsend von der Handelskammer der Stadt hofft auf einen Einnahmeschub durch die „Virgin Galactic“-Fachleute und ihre Familien, die demnächst erwartet werden. Das gilt auch für Harold Dick jr., der im „Geronimo Trading Post“ an der Hauptstraße Andenken verkauft und zu berichten weiß, dass der legendäre Apachen-Häuptling Geronimo in der Gegend einst die heißen Quellen zum Bad nutzte. „Seit Jahren sagen sie uns, dass es bald losgehen wird,“ sagt er, „jetzt wird es aber langsam Zeit, die Touristen hochzuschießen“.