Europas Virenschleuder

von Redaktion

Der Skiort Ischgl gilt als Hotspot für die Übertragung des Virus an hunderte Menschen

Ischgl – Nach dem Après-Ski kamen Corona und die Quarantäne: Wie in den vergangenen Tagen deutlich wurde, sollen viele Corona-Infektionen in Europa in den österreichischen Skiort Ischgl zurückzuverfolgen sein. Auch als die ersten Warnungen eingingen, ging der Skispaß trotzdem noch acht Tage weiter. Zeit genug für Corona, sich ungehindert unter den Feierwütigen auszubreiten. Die von dort das Virus dann in ganz Europa verbreiteten. Auch in Deutschland gibt es inzwischen zahlreiche bestätigte Krankheitsfälle von Urlaubern, die sich in ihrem Skiurlaub in der Region aufgehalten haben.

Die ersten Hinweise, dass Skiurlauber aus Ischgl an der Verbreitung des Virus eine Rolle spielen, zeigten sich bereits Ende Februar in Island. Dort landete am 29. März eine Boeing 757 der Icelandair von München in Keflavík. An Bord – wie sich später herausstellen sollte – mehrere infizierte Mitglieder einer 14-köpfigen Ischgl-Reisegruppe. Am 5. März zieht Island Konsequenzen: Das Skigebiet wird in dem Land zu einem Risikogebiet erklärt – wie schon zuvor der Iran und das chinesische Wuhan. Die Anweisung: Wer in Ischgl war, soll sich in 14-tägige Quarantäne begeben und die Behörden kontaktieren.

In Österreich gibt man sich zunächst ungläubig: Es erscheine „aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist“, erklärt Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber in einer Pressemitteilung. Nach Meinung der Österreicher haben sich die Urlauber an Bord bei dem kranken Italien-Rückkehrer angesteckt.

Die Party geht weiter.

Und auch das Virus verbreitet sich weiter. Erst am 14. März, also am vergangenen Samstag, rufen Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer „alle Personen, die sich seit 28. Februar 2020 in den betroffenen Regionen Paznauntal, St. Anton am Arlberg und Heiligenblut aufgehalten haben, dringend auf, sich in häusliche Selbstisolation zu begeben“. Seit dem Abend des 13. März gilt auch beim deutschen Robert Koch-Institut Tirol als Risikogebiet.

Als Hotspot für die Verbreitung des Virus gilt die Bar „Kitzloch“, bei der es beim Après-Ski auch schon mal sehr kuschlig werden kann. Dort wurde am 7. März ein Barkeeper positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Der Mann und 22 Kontaktpersonen wurden unter Quarantäne gestellt. Geschlossen wurde die Bar nicht.

Die Party ging weiter.

„Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich“, informiert Anita Luckner-Hornischer von der Landessanitätsdirektion in einer Aussendung des Landes Tirol am 8. März. Und weiter: „Für alle BesucherInnen, die im besagten Zeitraum in der Bar waren und keine Symptome aufweisen, ist keine weitere medizinische Abklärung nötig.“ Eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellen sollte. In den Folgetagen zeigten mehrere Barbesucher Symptome. Am 10. März dann wurde das „Kitzloch“ geschlossen. Wie viele Menschen sich bei der Pistengaudi und der Party danach wirklich angesteckt haben, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass es von hier weiter nach Deutschland und Skandinavien verbreitet wurde.

Jetzt ist auch in Ischgl die Party vorbei: Der Skibetrieb wurde eingestellt. Die Regionen Paznauntal mit Ischgl und Galtür sowie St. Anton in Tirol stehen wegen einer erhöhten Zahl von Fällen unter Quarantäne. „Ich kenne alleine über ein Dutzend Skiurlauber persönlich, die sich dort mit dem Virus infiziert haben“, berichtete der Chefkardiologe des Münchner Isarklinikums, Professor Dr. Alexander Leber.

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