Göttingen: Jetzt drohen Zwangseinweisungen

von Redaktion

VON THOMAS KOPIETZ UND BERND SCHLEGEL

Göttingen – Die Zahl der Corona-Infizierten in Göttingen nach den Feiern – auch in einer illegal geöffneten Shishabar – von aus Ex-Jugoslawien stammenden Großfamilien mit 310 Mitgliedern steigt weiter. 80 Personen, darunter 24 Kinder und Jugendliche, waren bis Dienstagabend positiv getestet. Zahlreiche Tests stehen noch aus. Als Folge daraus wird der Schulbetrieb in ganz Göttingen in dieser Woche ausgesetzt.

Das Risiko sei vor dem Hintergrund, dass noch nicht alle Kontaktpersonen ermittelt und getestet worden seien, einfach zu groß, sagte Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD). Auch vier Göttinger Kitas werden geschlossen. Sorgen bereiten zudem die 370 zum Teil unkooperativen Kontaktpersonen. Dazu kommen verhängte Anordnungen zu Testungen und Quarantäne.

Kurzum: Göttingen ist der Corona-Hotspot im Land und das, obwohl die Stadt im Vergleich zu ähnlichen Großstädten bislang prima abschnitt, was Infektionsquote und Intensivbettenbelegung angeht. „Bisher standen wir sehr gut da“, sagte Köhler. Die Bevölkerung habe beim Einhalten der Einschränkungen mitgezogen. „Die weitaus meisten“, schränkt Köhler ein und wird deutlich: „Wenn Dummheit und Ignoranz dazu führen, dass das normalisierende Leben in einer Stadt gefährdet wird, dann ist es genug“, sagt der OB in Bezug auf das Verhalten von Mitgliedern der Großfamilien.

Einige von diesen leben im sozialen Brennpunkt Iduna-Zentrum – einem riesigen Komplex mit etwa 700 Bewohnern, der einst citynahe Top-Appartements samt Schwimmbad bot. Im „Iduna“ feierten nun zum Teil bis zu 30 Personen in Wohnungen. Und dort rückten am Freitag Ordnungs-, Gesundheitsamt und Polizei an, um einen Quarantäne-Brecher abzuholen und – von Sicherheitspersonal bewacht – in einer Wohnung zu beherbergen. Man werde so weiter verfahren, wenn Kontaktpersonen Quarantäneverstöße begehen oder sich weigern, die Anordnung auf Testung zu missachten.

Das taten übrigens bislang einige. Der Krisenstab der Landesregierung teilt das „robuste Vorgehen“ der Behörden: Wer sich nicht an eine Auflage halte, begehe eine Straftat und könne vom Gericht in eine geschlossene Einrichtung überstellt werden, sagt die stellvertretende Leiterin des Krisenstabs, Claudia Schröder.

Niedersachsen ist das Land, in dem in Hotspots viele Infizierte ermittelt wurden, so in einem Restaurant in Leer, in Schlachhöfen und bei einem Paketlieferer. Zufall? Schröder glaubt daran: „Es ist keine niedersächsische Besonderheit.“ Krisenstab und Landesregierung müssen sich aber fragen lassen, ob die Lockerungen – von denen am Dienstag weitere, besonders für Gruppenveranstaltungen verkündet wurden – nicht allzu forsch vorangetrieben werden. Schröder: „Die Ereignisse zeigen, dass Verstöße zu diesen lokalen Infektionen führten.“ Vor dem Iduna-Zentrum jedenfalls wird ein Corona-Test-Mobil vorfahren: Alle Bewohnerinnen und Bewohner werden auf das Virus getestet. Die Behördenmitarbeiter versuchen weiter, alle zur Teilnahme am Test zu bewegen, verhandelten auch über ein Familienoberhaupt. Man wolle alle Kontakte nachvollziehen, heißt es. Sonst könnten weitere Einschränkungen drohen – für viele Göttinger.

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