Berlin – Die Wucht des Aufpralls hat den gelben Briefkasten zum Teil aus der Verankerung gerissen, Pflastersteine wölben sich nach oben. Kabel von Behelfsampeln hängen lose herunter, Scherben und Metallteile liegen herum. Flatterband sichert die Unfallstelle auf dem belebten Platz am Bahnhof Zoo in Berlin. Polizisten suchen nach Spuren, wo am frühen Sonntagmorgen ein Mercedes-Geländewagen in eine Menge gefahren ist.
Drei Menschen wurden dabei schwer verletzt, drei leicht. Der 24 Jahre alte Fahrer wurde noch vor Ort festgenommen. Ein Atemalkoholtest ergab bei ihm später 0,7 Promille.
Ein Mensch sei unter dem Fahrzeug eingeklemmt worden, heißt es von der Feuerwehr. Nach der Bergung und Reanimation wird er – wie die anderen Verletzten auch – ins Krankenhaus gebracht. 16 Augenzeugen des Unfalls im Berliner Stadtteil Charlottenburg werden psychosozial betreut. In dem Bereich rund um den Hardenbergplatz am Bahnhof Zoo sind auch an einem Sonntagmorgen viele Menschen unterwegs – Nachtschwärmer, die Hunger auf eine Currywurst verspüren, oder Passanten, die an diesem Knotenpunkt Bus oder Bahn nutzen wollen.
Der junge Fahrer habe ersten Erkenntnissen zufolge gegen 7.20 Uhr beim Abbiegen die Kontrolle über das schwere Auto verloren, weil er zu schnell unterwegs war, sagt eine Polizeisprecherin. „Wir haben bislang keinen Hinweis auf ein Anschlagsgeschehen.“ Es gebe auch keine Anhaltspunkte für eine politische oder religiöse Motivation, heißt es von der Polizei am Einsatzort unweit des Berliner Breitscheidplatzes.
Schlimme Erinnerungen. Am Breitscheidplatz gibt es eine Gedenkstätte für den islamistischen Terroranschlag vom 19. Dezember 2016. Attentäter Anis Amri hatte damals einen Lkw entführt, mit dem er über den Berliner Weihnachtsmarkt fuhr. Er tötete zwölf Menschen.
Gegen den Unfallfahrer vom Hardenbergplatz werde wegen Verdachts auf versuchten Totschlag und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt, sagte ein Polizeisprecher. Nach Angaben der Behörde handelt es sich bei ihm um einen kosovarischen Staatsbürger, das Auto habe ein estnisches Kennzeichen. „Aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit gehen wir bisher davon aus, dass der Fahrer billigend in Kauf nahm, dass Menschen verletzt oder sogar getötet werden.“ Hinweise auf ein illegales Autorennen mitten in der Stadt gebe es aber nicht.
Laut der „Bild“ schildern mehrere Augenzeugen den Unfall. „Es tut mir leid. Es tut mir leid“, soll der Autofahrer gerufen haben, als er von Sicherheitskräften abgeführt worden ist. Ein Zeuge gab außerdem an, dass der Mercedes-Fahrer vor dem Unfall an einer Kreuzung vor einer roten Ampel gestanden habe. Dann sei er plötzlich losgerast. „Die Reifen quietschten. Dann gab es drei Knalle“, wird der Zeuge zitiert.
Am nahen Ku’damm liefern sich Fahrer schneller Autos öfter derartige Kräftemessen. 2016 kam es bei einem Wettrennen zu einem Zusammenstoß mit dem Wagen eines Unbeteiligten. Der Fahrer (69) starb – der Bundesgerichtshof hat im Juni gegen einen der Unfallfahrer die lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes bestätigt.