Beirut – Drei Tage nach der verheerenden Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut haben Rettungshelfer weitere Opfer aus den Trümmern geborgen. Die Zahl der Toten stieg auf 154, wie das libanesische Gesundheitsministerium am Freitag erklärte. Rund 5000 Menschen wurden verletzt. Die Zahl der Toten könnte weiter steigen, weil noch viele Schwerverletzte auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen. Hilfsorganisationen warnen, die Kliniken seien überlastet.
Die Suche nach Überlebenden ging weiter, kam aber nur langsam voran. Kräne und Bulldozer versuchten, große Trümmerteile zu räumen. Das libanesische Rote Kreuz schätzt, dass noch rund 100 Menschen vermisst werden. Dabei soll es sich vor allem um Hafenarbeiter handeln. Internationale Teams waren an der Suche beteiligt, darunter auch das Technische Hilfswerk. Ein Krisenunterstützungsteam der Bundeswehr sollte am Freitagnachmittag in Libanons Hauptstadt eintreffen.
An der Absperrung zum Hafen versammelten sich auch wütende Einwohner, darunter Angehörige von Vermissten. Sie riefen: „Diese Regierung hat versagt!“ „Die Explosion war am Dienstag, und sie arbeiten noch immer langsam“, sagte einer der Demonstranten. „Wenn noch Lebende unter den Trümmern festgesessen haben, dann sind sie jetzt tot.“ „Ich warte darauf zu hören, dass du lebend aus den Trümmern gezogen wurdest, mein Liebling“, twitterte die Schwester eines vermissten Hafenbeamten. Über den einst geschäftigen Hafen hat sich seit der Explosionskatastrophe ein unheimliches Gefühl der Ruhe gelegt. Zu hören ist fast nichts mehr außer den schweren Maschinen, die sich den Weg durch verdrehte Eisenstangen und Berge von Betonschutt bahnen, um einen Weg für die Retter freizumachen.
Die Wut vieler Libanesen auf die Regierung und die politische Elite ist groß. Sie machen die Führung für die Explosion verantwortlich und werfen ihr Fahrlässigkeit vor.
Die heftige Explosion soll durch große Mengen Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die seit Jahren ohne Sicherheitsmaßnahmen im Hafen gelagert wurden. Aktivisten haben für Samstag zu weiteren Demonstrationen aufgerufen, die nach der Beerdigung von Opfern beginnen sollen.
Die Explosion hatte nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine Stärke von bis zu 1100 Tonnen TNT-Äquivalent. TNT ist die Abkürzung für den Sprengstoff Trinitrotoluol. Ammoniumnitrat habe ein TNT-Äquivalent von etwa 0,5, erklärt Jörg Stierstorfer von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Wert gibt die Zerstörungswirkung eines Sprengstoffs an. Das heißt: TNT ist etwa doppelt so stark wie Ammoniumnitrat.
Offiziellen Angaben zufolge lagerten 2750 Tonnen im Hafen von Beirut. Zum Vergleich: Die Explosionsenergie der 1945 über Hiroshima abgeworfenen Atombombe wird mit etwa 12 500 Tonnen TNT beziffert. Sprengstoffexperte Wolfgang Spyra von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus geht davon aus, dass mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur Ammoniumnitrat explodiert ist. Dies zeige die schwarze Wolke, die auf den Aufnahmen zu sehen ist. „Die würde sich nicht alleine erklären lassen durch Ammoniumnitrat“, sagte Spyra. „Vielleicht waren es pyrotechnische Artikel, die dort gelagert sind.“ Beide Materialien hätten etwa bei Schweißarbeiten entzündet werden können.
Deutsche Rettungshelfer sind von dem Ausmaß der Zerstörung nach der Explosion in der libanesischen Hauptstadt Beirut schockiert. „Das Einsatzgebiet ist wirklich riesig“, sagte die Sprecherin des Technischen Hilfswerks, Georgia Pfleiderer, am Freitag aus dem Einsatzgebiet. Die Schäden seien immens. „Was hier an Gebäuden stand, das waren ja richtige Hochregallager und Großgebäude, die liegen alle in Trümmern. Das ist wirklich eine Dimension, die ist echt atemberaubend.“ afp, dpa