Berlin – Ärzte in Krankenhäusern wissen oft nicht genau, welche Medikamente ihre Patienten einnehmen. Das gilt vor allem bei Patienten, die mindestens fünf Medikamente gleichzeitig benötigen. Solche Informationsmängel können lebensgefährliche Folgen haben, warnt die Krankenkasse Barmer in ihrem aktuellen Arzneimittelreport. „Es ist unverständlich, dass die Aufnahme in ein Krankenhaus als millionenfacher Prozess so fehleranfällig ist. Es muss verhindert werden, dass Patienten aufgrund von Informationsdefiziten zu Schaden kommen“, mahnt Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.
Auch bei der Entlassung aus Kliniken mangele es häufig an ausreichenden Informationen – sowohl für die Patienten als auch für die weiter behandelnden Ärzte, heißt es. Daher sind dem Arzneimittelreport zufolge auch vier von zehn Allgemeinmedizinern mit den Informationen durch das Krankenhaus unzufrieden oder gar sehr unzufrieden. „Umfassende Informationen von der Klinik zum weiterbehandelnden Arzt sind unerlässlich. Dies gilt umso mehr, da stationär behandelte Patienten zunehmend älter sowie mehrfach erkrankt sind und polypharmazeutisch behandelt werden. Also mit fünf oder mehr Medikamenten gleichzeitig“, sagt der Autor des Arzneimittelreports, Daniel Grandt, der selbst Chefarzt am Klinikum Saarbrücken ist.
Die Barmer-Daten belegen, dass jeder dritte stationär aufgenommene Patient nach geänderter Therapie keinen aktualisierten Medikationsplan erhalte; dabei zeigt eine Barmer-Analyse, dass 41 Prozent der Betroffenen, also fast 484 000 Versicherte, nach ihrer Klinikentlassung mindestens ein neues Arzneimittel bekommen haben. Viele Befragte geben zudem an, dass ihnen die neue Therapie vom Arzt auch nicht erklärt worden sei. „Eine Arzneitherapie kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn der Patient sie versteht und mitträgt. Dazu muss er sie entsprechend erklärt bekommen“, mahnt Experte Grandt an. Und, ganz wichtig: „Informationsdefizite dürfen auch deswegen nicht auftreten, weil die Therapie nach Klinikaufenthalten häufig komplexer wird.“
Jedes Jahr müssen mehrere Millionen Menschen ins Krankenhaus, die mindestens fünf Arzneimittel zugleich einnehmen. „Allein im Jahr 2017 waren bundesweit 2,8 Millionen Personen am Tag ihrer Klinik-Aufnahme sogenannte Polypharmazie-Patienten“, heißt es in dem Report. „Gerade bei dieser besonders gefährdeten Gruppe kommt es bei der Aufnahme ins Krankenhaus und auch bei der Entlassung häufig zu Informationsdefiziten – mit schlimmstenfalls lebensbedrohlichen Folgen durch Behandlungsfehler.“
Demnach hatten nur 29 Prozent der Patienten bei der Klinikaufnahme den bundeseinheitlichen Medikationsplan, der Informationsverluste zwischen Ärzten verhindern soll. 17 Prozent verfügten über gar keine aktuelle Aufstellung ihrer Medikamente. Vorhandene Pläne waren zudem häufig unvollständig. Dies hat eine Umfrage unter rund 2900 bei der Barmer versicherten Polypharmazie-Patienten über 65 Jahren ergeben. Dabei habe seit Oktober 2016 jeder Patient, der mindestens drei Medikamente regelmäßig einnehme, ein Recht auf einen solchen Plan.
Ursache der Informationsdefizite sei aber weniger der einzelne Arzt, als vielmehr der unzureichend organisierte und nicht adäquat digital unterstützte Prozess einer sektorenübergreifenden Behandlung, kritisierte Barmer-Vorstandschef Straub. bn/dpa