Vatikanstadt – Nächtliche Bummelanten am Vatikan werden Zeugen einer eigentümlichen Lasershow. Wenn Finsternis über dem Petersdom liegt und der weite Platz längst für Besucher gesperrt ist, befingert ein grüner Strahl die Fassaden, wischt über die Stufen der Basilika, fährt bald hierhin, bald dorthin zwischen den rauschenden Brunnen. Es geht gegen die Möwen. Deren Zahl wird zum Problem.
Einen Anteil an ihrem Anstieg hat die Corona-Krise. Seit im März die Pilger ausblieben, kehrte die Natur zurück. Auf dem Petersplatz spross zartes Grün, pickten Tauben, zankten Krähen. Mit den gefiederten Genossen haben Römer seit Langem ihre liebe Not. Am schlimmsten sind die Möwen. Ihre Population wächst exponentiell. 60 Prozent der Nistplätze liegen auf schwer zugänglichen Dächern historischer Palazzi und Gotteshäuser. Doch jetzt wurde es selbst dem Vatikan zu bunt.
Die Kirchenleitung entschied sich für eine dauerhafte Flugabwehr und kaufte das Lasergerät des niederländischen Unternehmens Frijters aus Rijsbergen für rund 4500 Euro. Der meterhohe Apparat steht jetzt dort, wo früher bei Generalaudienzen der Papst saß. Die Vögel hocken nachts gern auf dem noch warmen Pflaster. Den schweifenden Laserstrahl nehmen sie als festen Gegenstand wahr. Nähert er sich, löst er einen Fluchtreflex aus. Besser wäre laut Frijters eine Kombination mit anderen Methoden, etwa akustischer Vergrämung, „aber der Vatikan erlaubt nichts, was Lärm macht“.
Eine Gesundheitsgefahr geht von dem Laser nicht aus, weder für die Vögel noch für die Obdachlosen, die unter den Kolonnaden übernachten. Dazu müsste man schon direkt in den Strahl schauen, was aber insofern schwierig ist, als er sich permanent bewegt.
Polizisten auf dem Petersplatz geben die Einschätzung, die Sache funktioniere so la-la. „Die Vögel verlagern sich halt ein bisschen“, sagt ein Beamter. Noch weniger überzeugt von den simulierten Schlägen zeigt sich Ornithologe Fulvio Fraticelli: „Möwen sind soziale Tiere. Wenn ihre Artgenossen bedroht werden, kommen sie ihnen zu Hilfe.“ Für eine echte Eindämmung nennt Fraticelli eine brutale Option: Möwen zahlreich töten. Für das Image des Vatikan wäre eine solche Maßnahme aber verheerend. Bis dahin sendet der Apparat vor Sankt Peter Nacht für Nacht seinen Bannstrahl und vergrault die Möwen wenigstens an die Peripherie des Platzes. Vielleicht nur mit vorübergehendem Erfolg, auf jeden Fall unschädlich für Tier und Mensch und von anziehender Wirkung auf späte Besucher. BURKHARD JÜRGENS