Rapper gegen Chef des Abou-Chaker Clans

von Redaktion

VON SUSANNE SASSE

Berlin – Der Angeklagte trägt ein hellrosa Mickymaus-T-Shirt, unter den Achseln große Schweißflecken. Dieses Bild könnte sinnbildlich für den Prozess stehen, der derzeit vor dem Landgericht Berlin stattfindet. Da sitzt ein Mann, der vermutlich ausdrücken will, dass er die deutsche Gerichtsbarkeit für ein Mickymaus-Theater hält. Allein die Schweißflecken könnten darauf hindeuten, dass er doch ein wenig Respekt hat vor dem Gericht – oder aber es ist einfach heiß.

Der Gegenspieler des Mannes im rosa T-Shirt trägt ebenfalls T-Shirt, das den Blick frei lässt auf diverse Tätowierungen. Es ist der Rapper Bushido, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Youssef Ferchichi. Ein 41-jähriger gebürtiger Kölner, Sohn eines Tunesiers und einer Deutschen. Früh verließ der Vater die Familie und Bushido wuchs bei seiner alleinerziehenden Mutter im Berliner Bezirk Tempelhof auf. Nach der Grundschule besuchte er bis zur elften Klasse zwei Tempelhofer Gymnasien, später machte er eine Lehre zum Maler und Lackierer. Dann kam er zum Rappen, inzwischen hat er zwölf Studioalben veröffentlicht.

Der Musikstil Bushidos ist angelehnt an den US-amerikanischen Gansta-Rap – und auch im wahren Leben scheint der Rapper sich mit zwielichtigen Gestalten eingelassen zu haben. Laut Staatsanwaltschaft waren Bushido und Arafat A.-Ch., Chef einer bekannten arabischstämmigen Großfamilie, über Jahre hinweg Partner im Musikgeschäft. Nachdem Bushido 2017 die geschäftlichen Beziehungen mit dem jetzt angeklagten Clanchef aufgelöst habe, soll es zu Straftaten gekommen sein. Arafat Abou-Chaker. habe dies nicht akzeptieren wollen und von Bushido unberechtigt eine Millionen-Zahlung sowie die Beteiligung an dessen Musikgeschäften für 15 Jahre gefordert. Seine Brüder im Alter von 39, 42 und 49 sind als Gehilfen oder Mittäter angeklagt. Nur der 39-Jährige sitzt in U-Haft.

Am Mittwoch sagte nun Bushido als Zeuge aus. Der Rapper im schwarzen Shirt wurde umringt von Personenschützern mit Sturmhauben in den Gerichtssaal gebracht. Er ist Zeuge, das mutmaßliche Opfer und auch Nebenkläger in dem Verfahren um versuchte schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Untreue. Der Rapper sei im Dezember 2017 und Januar 2018 bedroht, beschimpft, eingesperrt und verletzt worden. Der Clanchef habe mit Stuhl und Wasserflasche nach ihm geworfen, so die Anklage.

Eigentlich hätte die Aussage von Bushido gestern um 10.30 Uhr beginnen sollen. Doch dann bis zum Nachmittag blieb offen, ob noch am inzwischen dritten Verhandlungstag mit der Vernehmung des 41-jährigen Zeugen begonnen werden kann. Der Vorsitzende Richter gab schließlich grünes Licht.

Die Verteidiger des Clanchefs wollen einem Antrag zufolge vor einer Befragung des Rappers Einsicht in alle Vernehmungen nehmen, in denen Anis Ferchichi und seine Ehefrau Angaben im Zusammenhang mit Arafat Abou-Chaker gemacht haben. Es gehe unter anderem darum, seine Glaubwürdigkeit zu prüfen. Aufgrund der damaligen Aussagen des Paares seien mehrere Verfahren eingeleitet worden. Die Oberstaatsanwältin sagte, sie führe diese Verfahren nicht und könne nicht über die Freigabe von Vernehmungen entscheiden.

In der Aussage, die Bushido dann gestern machte, ging es nicht um die früheren Beziehungen zwischen ihm uind dem Angeklagten. Der Rapper schilderte seine musikalische Karriere. Die ersten Kassetten habe er in seinem Kinderzimmer in den 90er Jahren aufgenommen, seine Mutter habe für die technische Ausstattung einen Kredit aufgenommen, sagte der 41-Jährige. Als er dann Jahre später in einem Monat bis zu 1000 Kassetten verkauft habe, habe er sich „unfassbar reich“ gefühlt. „Ich wollte unbedingt dazugehören“, sagte der gelernte Maler und Lackierer. Einen großen Teil des Geldes habe er damals seiner Mutter gegeben. Voraussichtlich wird die Befragung von Bushido mehrere Prozesstage umfassen.  mit Material vom dpa und afp

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