Berlin – Die Polizei stand im Morgengrauen vor der Tür der Villa des Berliner Clanchefs: Über 300 Beamte waren gestern Morgen im Einsatz, darunter ein Spezialeinsatz-Kommando. Durchsucht wurden 18 Projekte an drei Orten – in Berlin, Brandenburg und der Schweiz. Mehrere Millionen Euro wurden beschlagnahmt. Wir beleuchten die aktuelle Aktion und die Hintergründe.
. Der Boss
Unter Verdacht stehen vier Beschuldigte, aus denen einer herausragt: Arafat Abou-Chaker (44), der Clanchef und ehemalige Freund und Manager des Rapstars Bushido, die sich derzeit vor Gericht streiten. Bushido wirft dem Boss und dreien seiner Brüder vor, ihn bedroht, beschimpft, eingesperrt und angegriffen zu haben. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für Abou-Chaker die Unschuldsvermutung – dies gilt offiziell auch für die jetzt laufenden Ermittlungen.Vor Gericht gab Arafat Abou-Chaker zu seiner Person kürzlich an, er sei geschieden, habe fünf Kinder und sei gelernter Kfz-Mechaniker.
. Die Razzia
Schon mehrere Monate steht der Clan-Boss im Visier der Ermittler. Jetzt schlugen sie zu – es geht um Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Betrug „in erheblichem Umfang in Zusammenhang mit Managementleistungen für Rapper“, so die Berliner Staatsanwaltschaft. Durchsucht wurden neben Abou-Chakers Anwesen in Brandenburg bei Potsdam 17 weitere Häuser, Wohnungen und Büroräume. Zwischenfälle gab es keine. Die Polizei bis zum Druck dieser Ausgabe: „Es verlief bislang alles unproblematisch.“ Kriminalpolizei und Steuerfahndung beschlagnahmten schriftliche Unterlagen und Datenträger. Ziel sei es, Beweise zu finden und Vermögenswerte einzuziehen, erklärte die Polizei.
Ein Rechtsanwalt von Arafat Abou-Chaker teilte mit: „Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich derzeit keine Auskünfte erteilen kann.“
. Geldwäscheparadies Deutschland
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei begründet die Razzia: Man müsse „weiter dranbleiben, um den Sumpf trockenzulegen“ – Clans hätten in den vergangenen Jahren viel illegales Geld in den legalen Kreislauf gespeist und „mit Drogengeschäften, Schutzgelderpressung und anderen kriminellen Einnahmequellen Immobilien und andere Luxusgüter finanziert“. Jährlich würden im „Geldwäscheparadies Deutschland“ mehr als 100 Milliarden Euro reingewaschen.
. Der Clan
Der Abou-Chaker-Clan ist die Bezeichnung von Ermittlungsbehörden für einen palästinensischstämmigen Familienverband, der vor allem in Berlin, Kopenhagen und dem Libanon lebt. Bis zu 300 Mitglieder der Großfamilie sollen es allein in Berlin sein. Teile von ihr betreiben Schutzgeld-Erpressungen, Raubüberfälle, Drogen- und Waffenhandel, Zuhälterei. Gewalt- und Körperverletzungsdelikte gesellen sich zu den Straftaten.
. Abou und Bushido
Viele Jahre lang bestand ein ebenso inniges wie prosperierendes Verhältnis zwischen dem Clan-Boss und dem deutschen Rap-Star (41). Laut „Stern“ hatten sich die Freunde wechselseitig Generalvollmachten über ihr gesamtes Vermögen erteilt. Im März 2018 ließ Bushido verlauten, dass er sich von Arafat Abou-Chaker trennen würde – und veröffentlichte ein halbes Jahr später mit dem Song „Mephisto“ eine Abrechnung mit ihm. Bushido habe „nichts zu melden“ gehabt, Abou-Chaker habe „einfach alles entschieden“. Der Prozess in Berlin läuft unterdessen weiter.