Nizza/Venedig – Ganze Häuser wurden von den Wassermassen mitgerissen, Straßen und Brücken zerstört, Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten: Unwetter mit Überschwemmungen haben im Südosten Frankreichs und Norditalien zu teils chaotischen Zuständen geführt. Auch in Österreich und der Schweiz richteten Wind und Regen am Wochenende große Schäden an, ein vierjähriges Mädchen starb.
In Italien kamen mindestens zwei Menschen ums Leben, zwei weitere wurden noch vermisst. Ob eine in der Küstenstadt Sanremo am Sonntag geborgene Person ebenfalls durch das Unwetter starb, war zunächst nicht sicher. Im bergigen Hinterland der französischen Ferienmetropole Nizza galten mindestens acht Menschen als vermisst, von anderen fehlten Nachrichten. Es gebe große Sorge hinsichtlich der endgültigen Opfer-Bilanz, wie Regierungschef Jean Castex bei einem Besuch in der Krisenregion sagte.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, aktuell gebe es keine Hinweise, dass sich Deutsche unter den Opfern der Unwetter befänden.
In Österreich mussten Rettungskräfte am Freitagabend und Samstag zu zahlreichen Einsätzen wegen umgestürzter Bäume und kleinerer Überflutungen ausrücken. Ein vierjähriges Mädchen wurde bei einer Wanderung von einem Baum erschlagen. In der Schweiz brachte das Tief am Samstag enorme Mengen Regen mit sich, die Autobahn A2 war stundenlang wegen Überflutung gesperrt. In einem Tal im Tessin wurde laut dem Sender SRF mit 421 Millimetern in 24 Stunden die zweithöchste Regenmenge jemals in der Schweiz gemessen.
Im französischen Département Alpes-Maritimes und in Norditalien liefen am Sonntag die Aufräumarbeiten –1000 Feuerwehrleute und die Armee wurden eingesetzt. In der italienischen Region Piemont waren Straßen und Brücken beschädigt und Städte überschwemmt, etwa in Limone Piemonte in der Provinz Cuneo. Der Bürgermeister dort sprach von einer „katastrophalen Lage“. Die Regionen Piemont und Ligurien beklagten Schäden in Millionenhöhe.
In den Bergen nördlich von Nizza waren Dörfer nicht mehr erreichbar. Das Telefonnetz war zusammengebrochen. Tausende Haushalte waren ohne Strom. Rémi Recio, Leiter des engsten Mitarbeiterstabes des örtlichen Präfekten, sprach von einer „meteorologischen Bombe“, die am Freitag über dem Département niedergegangen sei. Vom Hubschrauber aus habe er kriegsähnliche Szenen gesehen. „Man hat den Eindruck, dass das Gebiet bombardiert wurde.“
Häuser seien von den Wassermassen weggerissen worden. Es gebe immer noch große Unsicherheit: „Wir wissen derzeit nicht, ob die Häuser bewohnt oder Ferienhäuser waren“, sagte Recio dem Nachrichtensender Franceinfo. Zu den acht Vermissten sagte er, es gebe Zeugenaussagen, dass diese in den Fluten verschwunden seien.
In Italien starb ein 53-jähriger freiwilliger Feuerwehrmann aus der Gemeinde Arnad im Aostatal, der bei einer Rettungsaktion von einem umstürzenden Baum getroffen wurde. Ein 36-jähriger Autofahrer aus Vercelli wurde auf einer kaputten Straße vom Flusswasser weggerissen. Sein jüngerer Bruder konnte sich hingegen aus dem Auto befreien und überlebte. Vercelli liegt zwischen Turin und Mailand.
Teilweise hatte es im Nordwesten Italiens von Freitag auf Samstag so stark geregnet wie seit rund 60 Jahren nicht mehr. Orte liefen mit Schlamm und Wasser voll. Autos wurden in Flüssen mitgerissen. Der Strom fiel für Tausende Menschen aus. Die Behörden warnten weiter vor Hochwasser-Gefahren. Das galt auch am Fluss Po, der von Westen quer durch Italien fließt und in die Adria mündet.
In Venedig wurde am Samstag die neue Hochwasserschutzanlage Mose erstmals in einer echten Gefahrenlage hochgefahren. Die Tore der Flutschleusen an den Öffnungen der Lagune wurden aufgestellt. Am Sonntag hieß es, Mose habe Wirkung gezeigt: Trotz erhöhter Wasserstände sei der Markusplatz trocken geblieben. Immerhin ein Lichtblick für die von den Unwettern geschockten Italiener. dpa