Paris/Den Haag – Geschlossene Bars und Restaurants, menschenleere Straßen und ein neuer Höchststand von über 32 000 Corona-Neuinfektionen: Angesichts der alarmierenden Corona-Zahlen gilt seit Samstag in Paris und vielen weiteren französischen Großstädten ab 21 Uhr eine nächtliche Ausgangssperre – an die sich die Einwohner am ersten Abend auch penibel hielten. In den Stunden davor aber waren die Bars und Restaurants voll besetzt.
Rund 20 Millionen Einwohner, fast ein Drittel der Bevölkerung, dürfen in den nächsten vier Wochen ihre Häuser oder Wohnungen zwischen 21 Uhr und sechs Uhr morgens nicht mehr verlassen. Wer sich nicht daran hält und kein Formular mit den erlaubten Ausnahmegründen vorweisen kann, muss 135 Euro Strafe zahlen. Sollten die strikten Maßnahmen gegen Corona nicht erfolgreich sein, droht bereits eine Verlängerung des Teil-Lockdowns, laut Präsident Emmanuel Macron möglicherweise bis zum 1. Dezember.
Auch in den Niederlanden stehen alle Alarmsignale auf Rot: Binnen 24 Stunden wurden am Freitag knapp 8000 Neuinfektionen gemeldet – in einem Land mit gut 17 Millionen Einwohnern. Bedrohlich ist die Lage vor allem in Krankenhäusern und auf Intensivstationen. Dort liegen bereits so viele Covid-19-Patienten, dass die normale Pflege abgebaut wird. Die Notaufnahmen müssen bereits zeitweilig geschlossen werden.
Die Lage sei bedrohlicher als im Frühjahr, sagte der Amsterdamer Virologe Hans Zaaijer der Zeitung „De Telegraaf“. „Wir befinden uns im Vorlauf einer Katastrophe.“ Um die abzuwenden, verhängte Premier Mark Rutte den Teil-Lockdown. Unter anderem sind Gaststätten geschlossen und eine Maskenpflicht wird eingeführt. Für mindestens vier Wochen steht das soziale Leben weitgehend still.
In mehreren Ländern im Osten Europas gerät das Gesundheitswesen derweil an seine Grenzen. Wegen der rasch steigenden Zahl von Infektionen hat das slowenische Gesundheitsamt am Samstag die Nachverfolgung der Kontakte von positiv getesteten Menschen eingestellt. Man sei nicht mehr in der Lage, die große Zahl der Fälle zu bewältigen, hieß es. Positiv Getestete werden weiterhin über ihre Infektion informiert. Sie erhalten die Anweisung, in Quarantäne zu gehen und ihre Kontakte selbstständig zu informieren.
In Tschechien wurde wegen der Pandemie der Notstand ausgerufen, weshalb das Militär den Aufbau eines Feldkrankenhauses in Prag vorbereitet. „Der Kampf gegen die Pandemie ist jetzt nicht nur für die Armee die Aufgabe Nummer eins“, sagte der tschechische Verteidigungsminister Lubomir Metnar. Doch nicht alle tragen dies mit: Am Sonntag protestierten in Prag mehr als 2000 Fußball- und Eishockeyfans gegen die Corona-Einschränkungen im Sport. Weil die Zahl der maximal erlaubten Teilnehmer weit überschritten wurde, beendeten die Veranstalter die Versammlung im Stadtzentrum nach rund einer Stunde. Anschließend kam es zu Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Hooligans und den Sicherheitskräften. Mehr als ein Dutzend Personen wurden festgenommen.
In der EU und ihren europäischen Partnerstaaten sind bislang mehr als 200 000 Menschen in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Wie am Sonntag aus den täglich aktualisierten Zahlen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervorging, gab es im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einschließlich Großbritannien bei nunmehr knapp 4,8 Millionen bestätigten Corona-Infektionen bislang 200 587 gemeldete Todesfälle.