Familienvater sitzt 360 Tage unschuldig in Haft

von Redaktion

Rottweil – Das unbeschwerte Leben von Buen Nuhiji endet an einem Dezembermorgen 2018. Beamte eines SEK-Kommandos stürmen in seine Wohnung in Tuttlingen. Sie sind auf der Suche nach Kokain und ringen ihn zu Boden. Der Familienvater wird vor den Augen seiner Söhne und seiner Frau in Handschellen abgeführt – als vermeintlicher Kopf einer Drogenbande. Mehr als ein Jahr lang sitzt der heute 44-Jährige in Untersuchungshaft – bis klar ist, dass rein gar nichts hinter den Vorwürfen steckt.

Belastet wurde Nuhiji von einem V-Mann der Polizei. Ein Freund aus Kindheitstagen in Albanien hatte die beiden im März 2018 zusammengebracht. „Mein Bekannter bat mich darum, ihn zum Bahnhof zu fahren. Er wollte dort jemanden abholen“, berichtet Nuhiji. Der unbekannte V-Mann sei eingestiegen, er habe die beiden dann vor einem Café abgesetzt. „Das war’s – ich habe mir nichts dabei gedacht“, sagt der Familienvater. Das Treffen wurde für Nuhiji zum Verhängnis. Der Mann, den der Familienvater da abgeholt hatte, war ein Informant der Polizei und sollte einen Kokain-Deal mit dem Bekannten über die Bühne bringen und damit eine Drogenbande überführen. Ermittler hatten alles aus der Ferne beobachtet und einen Zusammenhang zum Familienvater vermutet, den der V-Mann in Vernehmungen später bestätigte.

Angeklagt wurde Nuhiji Ende 2019 mit acht weiteren Männern wegen bewaffneten bandenmäßigen Drogenhandels. Vor dem Landgericht Rottweil ging es unter anderem um 120 Kilogramm Kokain. 18 Verteidiger saßen im Gerichtssaal. Einer davon war Ingo Lenßen. „Mein Mandant hat immer bestritten, etwas mit den Drogen zu tun zu haben“, sagt Nuhijis Anwalt, der auch im Fernsehen als Schauspieler auftritt. Er habe den Fall übernommen, weil er von Anfang an an die Unschuld des Familienvaters geglaubt habe. Der Freispruch im Februar dieses Jahres gab ihm Recht.

Für seine Zeit im Gefängnis – insgesamt waren es 360 Tage – sei Nuhiji mittlerweile entschädigt worden, sagt Lenßen. Rund 60 000 Euro seien ihm zugesprochen worden. Deutlich weniger wäre es dem Anwalt zufolge gewesen, wenn Nuhijis Arbeitgeber nicht an die Unschuld des Familienvaters geglaubt und ihn entlassen hätte. Stattdessen wurde er während der Haft nur freigestellt. Daher musste der Staat auch für den Verdienstausfall aufkommen.

Wenn Nuhiji auf die vergangenen zwei Jahre zurückblickt, kann er es immer noch nicht ganz fassen: „Das war der Schock meines Lebens.“ ALEKSANDRA BAKMAZ

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