Warum floss vatikanisches Geld nach Australien?

von Redaktion

Sydney – Umgerechnet mindestens 700 000 Euro sind vom Vatikan nach Australien geflossen. Aber wofür? Zur Renovierung der Papstbotschaft in Canberra? Für die Suche oder eine Bestechung von Zeugen im Missbrauchsverfahren gegen den australischen Kardinal George Pell? Die Medienmaschinerie rattert – doch klarer ist die Angelegenheit dadurch noch nicht geworden. Pell war Anfang April vom Obersten Gerichtshof Australiens freigesprochen worden – nachdem er zunächst in zwei Instanzen verurteilt wurde und rund 400 Tage in Haft verbrachte.

Chrissie Foster gehört zu denen, die eine umfassende Aufklärung des Geldflusses verlangen. Ihre Töchter waren von einem Priester in Melbourne vergewaltigt worden. Sie interessiert die Würde der Betroffenen, die in den vergangenen Jahrzehnten von Priestern sexuell missbraucht wurden. Allein schon das Gerücht, das Geld könnte rund um die Aussage von Zeugen eingesetzt worden sein, reiche aus, um die Glaubwürdigkeit aller Missbrauchsopfer zu unterminieren, findet sie.

Spekulationen über eine Verschwörung von Vatikanvertretern und australischen Stellen gegen Pell kursieren auf dem Fünften Kontinent seit Längerem. Der Kardinal hat viele mächtige Feinde – aber auch mächtige Freunde. Zu letzteren gehört das Medienimperium des Verlegers Rupert Murdoch, der mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent an Australiens Printmedien die gesellschaftliche Debatte im Land dominiert. Unterdessen fragen Missbrauchsopfer – bislang unbeantwortet – wer Pells Anwaltskosten bezahlt hat. Zudem untersuchen laut Presseberichten mehrere australische Behörden Geldflüsse während des Prozesses – die laut der Zeitung „The Australian“ nicht wie bislang angenommen umgerechnet etwa 700 000 Euro, sondern rund das Doppelte betragen haben sollen. Nach seinem Freispruch kehrte Pell zuletzt nach Rom zurück.

Als rechte Hand des 2016 gestorbenen Bischofs von Ballarat, Ronald Austin Mulkearns, und später als Erzbischof von Melbourne spielte Pell aber eine Rolle bei der Vertuschung von Missbrauchsfällen. Zu diesem Schluss kam zumindest die staatliche Kommission zur Untersuchung des Umgangs mit Missbrauch durch Kirchen und andere Institutionen. Entsprechende Zeugenaussagen und Dokumente wurden nach Pells Freispruch veröffentlicht.

Die Pell betreffenden Abschnitte im Abschlussbericht der Kommission sind dem Vernehmen nach die Grundlage für anstehende zivilrechtliche Klagen gegen den Kardinal vor Gerichten in Victoria. Unter der Überschrift „Er wusste es“ fordern auf der Plattform Change.org inzwischen fast 120 000 Unterzeichner eine Entlassung Pells aus dem Priesteramt. Die Causa Pell scheint immer noch nicht abgeschlossen. MICHAEL LENZ

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