Nizza – Mit letzter Kraft hatte es Simone Barreto Silva noch geschafft, sich aus der Kirche zu retten. Blutüberströmt war sie vor dem Angreifer Brahim Aouissaoui geflüchtet, hatte sich in eine nahe gelegene Bar retten können. Dort jedoch starb die 44-jährige Brasilianerin, die seit Jahrzehnten in Frankreich lebte. Die letzten Worte der dreifachen Mutter an den Notarzt waren: „Sagt meinen Kindern, dass ich sie liebe.“
Brahim Aouissaoui war bei seinem Angriff in der Basilika Notre-Dame äußerst brutal vorgegangen: Einer 60-jährigen Frau sei tief die Kehle durchgeschnitten worden, sagte Antiterror-Staatsanwalt Jean-Francois Ricard am Donnerstag in Nizza. Er sprach von einer Art Enthauptung. Auch der getötete Küster Vincent Loques – Vater von zwei Kindern – wurde ebenfalls tödlich an der Kehle verletzt.
Der Angreifer habe gegen halb neun Uhr morgens die Kirche im Zentrum von Nizza betreten und sich dort dann etwa eine halbe Stunde aufgehalten und die Opfer angegriffen. Gegen neun Uhr habe die Polizei eingegriffen, den mutmaßlichen Angreifer verletzt und festgenommen. „Die Beamten haben zweifellos ein noch dramatischeres Ergebnis vermieden“, sagte Ricard. Der Angreifer sei schwer verletzt und schwebe in Lebensgefahr.
Der Angreifer war dem italienischen Innenministerium zufolge im September auf der Mittelmeerinsel Lampedusa angekommen. Im Oktober wurde er ins süditalienische Bari, die Hauptstadt Apuliens, gebracht. Dort soll er abgetaucht sein. Aouissaoui war auch am Freitag offenbar weiter nicht vernehmungsfähig. Der 21-Jährige aus Tunesien war nach seiner Tat von der Polizei angeschossen worden und müsse ein zweites Mal operiert werden, berichten französische Medien. Ein potenzieller Mitwisser, ein 47-jähriger Mann, sei in Gewahrsam genommen worden. Am Freitagabend nahm die Polizei zudem einen 35-Jährigen fest, der am Tag vor dem Anschlag mit dem Täter in Kontakt gewesen sein soll.
Antiterror-Staatsanwalt Jean-Francois Ricard teilte mit, bei der Tatwaffe handele es sich um ein 17 Zentimeter langes Messer. Im Rucksack des Täters befanden sich zudem zwei weitere Messer, ein Koran sowie zwei Handys.
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sieht das Land im „Krieg gegen die islamistische Ideologie“. „Der Islamismus ist eine Form des Faschismus im 21. Jahrhundert“, sagte der 38-Jährige am Freitag dem Sender RTL. Frankreich werde mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen die innere und äußere Bedrohung kämpfen.
Der Kampf gegen den Terror soll auch Thema beim nächsten Treffen der EU-Innenminister am 13. November sein. Darauf einigten sich Darmanin und sein deutscher Amtskollege Horst Seehofer am Freitagabend. Man werde darüber beraten, „wie wir die uns zur Verfügung stehenden Instrumente künftig besser nutzen können, um terroristische Gräueltaten zu verhindern“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Laut Darmanin war der tatverdächtige Tunesier weder der Polizei in Frankreich noch in anderen europäischen Ländern bekannt.