Izmir/Samos – Es sind 30 Sekunden, die Stunden und voraussichtlich Tage der Bergungs- und Aufräumarbeiten einleiten: Ein starkes Erdbeben in der Ägäis hat in der Westtürkei und auf den griechischen Inseln am Freitag für große Zerstörung gesorgt. Mehrere Menschen starben; es kam zu Tsunamis.
Vorläufigen Angaben der türkischen Katastrophenschutzbehörde zufolge starben in der Westtürkei mindestens zwölf Menschen, etwa 419 Menschen wurden verletzt. Fünf Häuser stürzten ein und verschütteten Menschen. Nach Angaben von Freitagabend konnten 70 lebend geborgen werden. Auf der griechischen Insel Samos starben zwei Jugendliche.
Hinweise auf Deutsche unter den Toten und Verletzten hat das Auswärtige Amt derzeit nicht. Die Botschaft in der griechischen Hauptstadt Athen und das Konsulat im türkischen Izmir seien aber mit den zuständigen Behörden in Kontakt, hieß es.
Das erste Beben hatte nach Angaben der türkischen Katastrophenbehörde eine Stärke von 6,6. Die für Erdbeben zuständige US-Behörde USGS gab die Stärke des Bebens sogar mit 7 an. Das Zentrum habe vor der türkischen Provinz Izmir, 16 Kilometer nördlich der griechischen Insel Samos gelegen, berichteten türkische und griechische Medien.
Sowohl auf Samos als auch an der türkischen Westküste gab es Tsunamis. Erdbeben-Institute berichteten über erste Nachbeben weiter westlich des Hauptbebens, mehrere davon über der Stärke 4,0. Griechische Fernsehsender zeigten Bilder von der überfluteten Küstenpromenade, wo das Wasser Autos wegspülte. Der Strom fiel aus. Auch auf Bildern aus dem türkischen Seferihisar waren überflutete Gassen zu sehen.
Die auf Samos getöteten Jugendlichen waren den Angaben zufolge nach der Schule zu Fuß auf dem Weg nach Hause, als wegen des Bebens in einer engen Gasse Hauswände einstürzten. Medien hatten zuvor gemeldet, acht Verletzte würden im Krankenhaus behandelt.
Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam informierte am Freitagmittag ebenfalls über das „schwere Erdbeben mit einem Tsunami“. Nach GFZ-Berechnungen erreichten die Wellen Höhen von mehr als 1,5 Metern. Sie könnten an der Küste womöglich bis zu drei Meter hoch auflaufen.
Der türkische Fernsehsender TRT zeigte am Nachmittag Bilder von eingestürzten Mehrfamilienhäusern und von Staubwolken über der Stadt Izmir. Es wurde von Panik auf den Straßen während des Bebens berichtet, Telefonverbindungen seien unterbrochen gewesen. Türkische Medien berichteten, einige Krankenhäuser in der Provinz Izmir seien beschädigt worden und hätten evakuiert werden müssen. Moscheen in der Region boten Menschen Obdach an, wie TRT berichtete.
Die Behörden riefen dazu auf, Straßen nicht zu blockieren und das Mobilfunknetz möglichst zu entlasten. Am Abend dann waren Hunde zu sehen, die in den Trümmern nach Verschütteten schnüffeln, Scheinwerfer leuchteten die Suchstelle aus, mit Hilfe von Kränen wurden die Trümmerteile bewegt. Die Bewohner von Samos waren dazu aufgerufen, die Nacht im Freien – gegebenenfalls in ihren Autos – zu verbringen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan richtete sich in einer Rede an die Bevölkerung. Man stehe den vom Erdbeben betroffenen Menschen mit allen Mitteln bei. Erdogan und der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis boten sich in einem Telefonat gegenseitige Hilfe an. Auf Twitter drückte Mitsotakis der Türkei sein Beileid aus und schrieb: „Was auch immer unsere Uneinigkeiten sind, das sind Zeiten, in denen Menschen zusammenstehen müssen“. Erdogan bedankte sich ebenfalls auf Twitter und antwortete: „Dass zwei Nachbarn in schwierigen Zeiten Solidarität zeigen ist wichtiger als vieles im Leben.“ Die Regierungen in Athen und Ankara liegen derzeit unter anderem wegen umstrittenen Erdgaserkundungen der Türkei im östlichen Mittelmeer über Kreuz. Auch die EU und die Nato boten der Türkei und Griechenland Hilfe an. ANNE POLLMANN, ALEXIA ANGELOPOULOU