Athen – Hubschrauber, Drohnen, Lautsprecher, massive Polizeikontrollen und saftige Strafen: In Griechenland hat am Samstag um sechs Uhr in der Früh der zweite Lockdown in diesem Jahr mit Ausgangssperren, Geschäftsschließungen und Pflichttests vor der Einreise zur Bekämpfung der ausufernden Corona-Pandemie begonnen – inklusive rabiater Mittel zu deren Einhaltung. Er soll bis Ende November dauern. Doch nicht alle Griechen halten sich an die neuen Regeln.
116 Polizeikontrollen an fixen Stellen gibt es daher seit Samstagfrüh alleine im Großraum der Vier-Millionen-Metropole Athen. Im Drei-Schichten-Betrieb sind 245 Polizisten mit 122 Streifenwagen im Einsatz. Mehr als 5000 Polizisten pro Schicht alleine in Athen sollen für die Einhaltung der neuen Corona-Beschränkungen sorgen.
Und die sind heftig: Wer die eigene Wohnung verlassen will, darf dies nur aus sechs Gründen tun. Um eine Apotheke oder einen Arzt aufzusuchen, in einem Supermarkt einzukaufen, in eine Bank zu gehen, Hilfsbedürftigen zu helfen, bei einer Bestattung zugegen zu sein, sich alleine sportlich zu betätigen oder mit seinem Hund Gassi zu gehen. Der Einzelhandel bleibt geschlossen, ebenso die Cafés, Restaurants, Bistros, Bars sowie Nachtklubs. Auch die Friseure sind zu, Fitnessklubs sowieso. Nur die Grundschulen und Kindergärten bleiben offen. Ältere Schüler und Studenten müssen am Online-Unterricht teilnehmen. Nur: Der erste Online-Unterricht geriet am Montag zum Fiasko: Schon nach einer Unterrichtsstunde brach das System zusammen. Für die Schüler war der erste Schultag im zweiten Lockdown bereits um neun Uhr in der Früh gelaufen.
Ein weiteres Novum: Alle Einreisende nach Griechenland müssen fortan einen negativen Labortest in Sachen Covid-19 vorweisen, der maximal 72 Stunden alt sein darf. Die unweigerliche Folge: Die touristische Saison, die wegen der Corona-Pandemie hierzulande erst Anfang Juli startete und erstmals um einen Monat bis Ende November verlängert worden war, ist faktisch abrupt beendet. Und dies, obgleich die Hotels geöffnet bleiben können.
Damit die knapp elf Millionen Griechen den neuerlichen Lockdown einhalten, werden sie sogar aus der Luft von Hubschraubern und Drohnen überwacht.
In der Nacht auf Montag schlug die Polizei in einem Athener Hotel zu. Eine 24-Jährige hatte zu einer Party auf der Dachterrasse eingeladen. Griechischen Medienberichten zufolge seien 30 Partygänger erwischt worden. Darunter sollen vier Profi-Fussballer des griechischen Serienmeisters Olympiakos Piräus gewesen sein.
Die Strafen sind saftig: Wer unbegründet die Wohnung verlässt oder keine Maske trägt, muss 300 Euro zahlen – doppelt so viel wie beim ersten Lockdown. Doch schon am Samstag kam es zu eklatanten Verstößen gegen die Corona-Regeln. Insgesamt 585 Mal zückten die Polizeibeamten den Bußgeldblock wegen unbegründeten Ausgangs. Weitere 696 Strafen setzte es wegen der Nichteinhaltung der totalen Maskenpflicht und sonstiger Verstöße.
Fakt ist: Griechenlands Regierung unter dem konservativen Premierminister Kyriakos Mitsotakis ist aufgrund der zuletzt rapide steigenden Corona-Fallzahlen, Hospitalisierungen, schweren Krankheitsverläufe und Sterbefälle beunruhigt. Am Samstag gab die griechische Gesundheitsbehörde 2556 neue Corona-Fälle bekannt, am Sonntag weitere 1914.
Landesweit müssen nunmehr 228 Menschen wegen Covid-19 künstlich beatmet werden. Allein am Wochenende wurden 69 neue Sterbefälle gezählt – so viel wie nie zuvor seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Griechenland Ende Februar dieses Jahres. Seit Beginn der Corona-Pandemie in Griechenland sind 56 698 Corona-Neuinfektionen nachgewiesen worden, 784 Menschen starben an oder mit dem Virus.
Die Dunkelziffer in Sachen Corona-Neuinfektionen dürfte in Griechenland jedoch deutlich höher als in anderen Ländern sein. Denn immer noch wird in Griechenland zu wenig getestet. Dennoch prahlte die Regierung Mitsotakis früh vollmundig im In- und Ausland mit einem gigantischen PR-Aufwand und dem Verweis auf die offiziell glänzende Corona-Statistik damit, die Corona-Pandemie viel besser als andere Länder im Griff zu haben, um sich einerseits selbst zu rühmen, ferner insgesamt das Image Griechenlands aufzupolieren und kurzfristig die diesjährige Tourismussaison zu retten. Doch die Rechnung geht nicht auf. Die Tourismussaison in Griechenland verlief desaströs.
Ferner suggerierte Mitsotakis nach dem vermeintlichen Erfolg im Kampf gegen Corona im Frühjahr, dass das heimtückische Virus in Griechenland so gut wie besiegt sei. Das rächt sich. Die Griechen, die auch schon vor, während und nach der ersten, 42 Tage währenden Quarantäne vom 23. März bis zum 4. Mai teilweise eklatant gegen die Corona-Regeln verstoßen hatten, warfen ab Anfang Mai alle Hemmungen über Bord – mit fatalen Folgen. Derzeit sind 62 Prozent der landesweit 420 Covid-Intensivbetten in Griechenland belegt – Tendenz stark steigend. Die mit viel Aufwand inszenierte Erfolgsstory der Regierung Mitsotakis liegt in Trümmern. Dass der nun eilig verhängte, zweite Lockdown in Griechenland, den Mitsotakis und Co. bis zuletzt unbedingt verhindern wollten, wirklich am 30. November endet, glaubt in Griechenland kaum jemand.
Die Stimmung unter den Griechen ist derweil durchwachsen bis schlecht, vor allem wegen der drastischen wirtschaftlichen Folgen, die der neuerliche Lockdown im seit dem faktischen Staatsbankrott im Frühjahr 2010 chronisch krisengeschüttelten Land verursacht. Die Griechen sind im Lockdown-Blues. Der Widerstand gegen die Regierung Mitsotakis wegen dem harten Corona-Lockdown wächst. Bei Protesten in der westgriechischen Stadt Patras nahm die Polizei am Samstagabend neun Personen in Gewahrsam.