Der langsame Tod der Weihrauch-Bäume

von Redaktion

Das in Kirchen verbrannte Harz wird knapp – „Überzapfung“ und Klimawandel als Gründe

Mogadischu – Als die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland nach Bethlehem zur Geburt Jesu reisten, überreichten sie drei wertvolle Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Seitdem durchdringt der vertraute Geruch von Weihrauch nicht nur Kirchen, es ist auch ein beliebtes Öl in der Aromatherapie. Dadurch erlebt Weihrauch derzeit weltweit einen beispiellosen Boom – doch in Ländern wie Somalia, das eines der größten Produzenten ist, ist das nicht nur positiv. Forscher warnen: In wenigen Jahrzehnten könnte dieses traditionsreiche Gut nicht mehr existieren.

Weihrauch wird aus Boswellia-Bäumen gewonnen. Die verschiedenen Arten des Baumes sind neben Somalia auch in Äthiopien, dem Sudan, Oman, dem Jemen und Indien zu finden. „Man muss den Baum mit einer Axt verletzen, dann gibt man ihm Zeit, bis Beeyo erscheint“, erklärt die Somalierin Ardo Mire und nutzt dabei den örtlichen Begriff für Weihrauch. Die Familie der 55-Jährigen erntet seit 100 Jahren das Harz, aus dem Weihrauch hergestellt wird. Doch wie lang sie die Tradition fortführen kann, weiß sie nicht: „Beeyo wird immer weniger, denn die Bäume sterben, die Nachfrage ist zu hoch.“

Weihrauch erlebt in den letzten Jahren in den USA und Europa einen Boom. Es ist neben dem Räuchern vor allem in ätherischen Ölen in der Aromatherapie und in Seifen beliebt. „Es gibt eine riesige Nachfrage“, sagt Frans Bongers von der Uni Wageningen (Holland), der zu den Boswellia-Bäumen forscht. Dies betrifft zunehmend vor allem Somalia, speziell die semiautonome Region Somaliland. Die dort zu findende Art Boswellia sacra sei derzeit eine „heiße Ware“ auf dem Markt, sagt Expertin Anjanette DeCarlo, die sich mit ihrer Organisation Save Frankincense für den Schutz der Bäume einsetzt. Man könnte meinen, dass die steigende Nachfrage ein Segen ist, die Realität sieht aber anders aus. Zuvor nomadische Völker, die die Bäume anzapfen, ließen sich zunehmend nieder, erklärt DeCarlo. Gekoppelt mit dem Bevölkerungswachstum steige der Druck auf die Bäume, auch in immer abgelegeneren Gebieten. „Wir sehen, dass nun immer mehr Menschen die Bäume anzapfen, denn der Preis (von Weihrauch) ist gestiegen.“ Und wegen der schwachen Regierungsführung in Somaliland bleibt das Geschäft nahezu unkontrolliert.

Das „Überzapfen“ ist für die Bäume verheerend. Um Gummiharz zu entnehmen, macht man Einschnitte in der Rinde des Baums. Der Baum gibt Harz ab, wie ein Körper bei einer Wunde blutet; dieses Harz wird gesammelt. Damit diese Methode nachhaltig und der Baum gesund bleibt, sollte ein Baum nur neun bis zwölf Schnitte haben, wie DeCarlo erklärt. Außerdem sollte ein Baum nur einige Monate im Jahr geschnitten werden und nur zwei Jahre hintereinander, dann sollte er sich ein Jahr erholen. DeCarlo aber sieht oft Bäume, die weit über 100 Schnitte vorweisen und denen keine Erholungspause gegeben werde.

Dieser Druck auf die Bäume, gekoppelt mit den Folgen des Klimawandels, sei ein „perfekter Sturm, der zum Rückgang einer Ressource führt“, sagt DeCarlo. Auch in anderen Ländern sind die Bäume bedroht, dort aber teils aus anderen Gründen. Bei einigen Baum-Populationen gebe es seit Jahrzehnten gar keine natürliche Regeneration. „Die voraussichtliche Weihrauch-Produktion wird sich in 20 Jahren halbieren.“

Aus der Armut verhilft der Weihrauch-Boom den Menschen, die das Harz ernten, kaum. Die Bäume befinden sich oft in schwer zugänglichen und konfliktreichen Gebieten, und die Arbeit ist hart. Die Sammler verdienen in der ganzen Kette am wenigsten. Doch die Forscher sind sich einig: Ein Weihrauch-Stopp ist keine Lösung – stattdessen muss die Produktion nachhaltig gestaltet werden. Zum einen müsse das Entnehmen von wildem Harz stärker reguliert werden, sagt DeCarlo. Zum anderen könnte die hohe Nachfrage gesättigt und der Druck auf die wilden Boswellia-Bäume durch Plantagen abgefedert werden. Einige wenige gibt es schon, doch die Bäume brauchen viele Jahre, um heranzuwachsen.

Artikel 8 von 11