Gerechtigkeit für Dante

von Redaktion

700 Jahre nach seinem Tod sollen die Urteile gegen den Dichter aufgearbeitet werden

Florenz – Für Gerechtigkeit ist es nie zu spät: 700 Jahre nach seinem Tod wird in Italien der Fall des Nationaldichters Dante neu aufgerollt. Dante Alighieri wurde 1302 aus seiner Heimatstadt Florenz verbannt – vermutlich aus politischen Gründen. Auf einer Konferenz am 21. Mai sollen die Richtersprüche aufgearbeitet werden. „Unser Ziel ist es, im Lichte neuer Beweise einzuschätzen, ob diese Urteile aufgehoben werden könnten“, sagt der Strafverteidiger Alessandro Traversi.

Zur Konferenz hat der Jurist neben Anwaltskollegen und Richtern auch Nachfahren Dantes und des damaligen Richters nach Florenz eingeladen. „Ich finde es interessant, die Angelegenheit zu überprüfen“, sagt der Franzose Antoine de Gabrielli, ein Nachkomme des Richters. Anders als sein Urahn werde er sich aber nicht dafür einsetzen, den Schuldspruch aufrechtzuerhalten. Der Astrophysiker Sperello di Serego Alighieri vertritt die Familie Dantes.

Es ist unwahrscheinlich, dass nach der Konferenz der Fall Dante tatsächlich erneut vor Gericht verhandelt werden wird. Anwalt Traversi sieht eine Neubewertung des Urteils jedoch als wichtige symbolische Geste der Wiedergutmachung gegenüber Dante, der „rechtlich gesehen für die Stadt Florenz immer noch ein Straftäter ist“.

Dante war nicht nur ein Poet, sondern auch ein Politiker. Im Jahr 1300 gehörte er für die Amtszeit von zwei Monaten dem Regierungsrat von Florenz an. Dieser Posten brachte ihn in Schwierigkeiten. Als die Fraktion der „Schwarzen“ 1301 mit Unterstützung von Karl von Valois, dem Bruder von König Philip IV. von Frankreich, und Papst Bonifatius VIII. Florenz zurückeroberten, wurde Dante zusammen mit anderen „weißen“ Amtsinhabern in Abwesenheit der Prozess gemacht.

Im Januar 1302 befand Richter Cante de Gabrielli sie der Korruption für schuldig, gab ihnen drei Tage Zeit, eine hohe Geldstrafe zu zahlen, und schloss sie aus öffentlichen Ämtern aus. Zwei Monate später verurteilte de Gabrielli Dante zum Tod auf dem Scheiterhaufen, sollte er nach Florenz zurückkehren. Nachdem Dante die Bedingungen für eine Amnestie ablehnte, änderte ein anderer Richter 1315 das Urteil in Tod durch Enthauptung – was auch für die Söhne des Dichters galt.

Dante floh und zog von einer italienischen Stadt zur anderen. Es ist wenig über sein Leben bekannt, aber wahrscheinlich entstand in dieser Zeit sein Hauptwerk, die „Göttliche Komödie“ – eine imaginäre Reise durch Hölle, Fegefeuer und Himmel. Exil ist ein wichtiges Thema der Erzählung in Versform und Dante nutzte sie, um sich zumindest auf dem Papier zu rächen: Bonifatius VIII. und andere irdischen Feinde landen in der „Göttlichen Komödie“ in der Hölle.

Experten sind sich seit Langem einig, dass Dantes Verurteilung politisch motiviert war. Der renommierte Mittelalter-Historiker Alessandro Barbero vermutete jedoch kürzlich, dass manche Vorwürfe durchaus begründet gewesen sein könnten. Dante habe sicher keine Bestechungsgelder angenommen, schreibt der Historiker. Aber es sei „nicht ganz unmöglich“, dass er seine Rolle im Amt ausgenutzt habe, um politische Verbündete zu begünstigen. Anwalt Traversi hofft nun, solche Zweifel an Dantes Rechtschaffenheit ausräumen zu können.

Für Serego Alighieri sind die Erkenntnisse der Konferenz nicht entscheidend. „Dante wurde verurteilt, ging ins Exil und kehrte nie nach Florenz zurück“, sagt der Nachkomme, der nicht nur Dantes Namen trägt, sondern auch seine markante Nase geerbt hat. „Alles, was heute für ihn getan werden kann, wird daran nichts mehr ändern.“

ALVISE ARMELLINI

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