London – Bisher hat sie geschwiegen. Kein Wort über den Verlust ihres Mannes, keine öffentliche Äußerung der Trauer. Das Einzige, was man erfuhr: Ohne ihren Mann empfinde die Queen „eine große Leere“, beschrieb ihr Sohn Prinz Andrew zwei Tage nach Philips Tod die Gefühlslage der Queen. Sie sei zwar „unglaublich tapfer“, doch habe Philips Tod sie schwer getroffen. Für Elizabeth II., die schon viele Krisen und Tragödien meistern musste, ist das ein schwerer Schlag, und man konnte ihr bei der Beisetzung am Samstag ansehen, wie sehr sie leidet. „Ihr heutiger 95. Geburtstag wird vermutlich der traurigste Geburtstag, den sie je hatte“, bestätigt auch NDR-Adelsexpertin Leontine von Schmettow.
Sie wird ihn dieses Jahr wohl noch zurückgezogener begehen als sonst. Zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit im Jahr 1947 ist sie an ihrem Ehrentag ohne Prinz Philip an ihrer Seite. Wenn man zwölf Tage vor seinem Geburtstag den Menschen verliert, in den man sich verliebt hat, als man 13 und mit dem man dann fast 74 Jahre verheiratet war, dann ist wohl niemanden wirklich nach feiern zumute. Egal, ob man nun die Königin von England oder Frau Müller aus Castrop-Rauxel ist.
Klein und gebeugt, aber doch gewohnt würdevoll hatte die Queen bei der Trauerfeier am Samstag gewirkt. Manch einer hätte sie am liebsten in den Arm genommen. Das wird heute wohl ihre Familie übernehmen. Leontine von Schmettow vermutet, dass eine richtige Feier zwar ausfällt, da der Geburtstag noch in die von der Queen persönlich erklärten zweiwöchigen Trauerzeit falle: „Sie wir aber vermutlich nicht alleine sein. Die Familie wird sich sicher abwechselnd, sofern Corona das zulässt, an ihrem Geburtstag um die Queen kümmern.“ Ein offizielles Statement, wie die Queen ihren Geburtstag begehen wird, hat der Palast nicht herausgegeben.
Ihren echten Geburtstag feiert Elizabeth II. schon seit jeher nur im privaten Rahmen. Die Öffentlichkeit bekommt davon normalerweise nur 41 Salutschüsse aus dem Hyde Park, 21 Schüsse aus dem Windsor Great Park und 62 Salven vom Londoner Tower aus mit. Auch die jährlich stattfindende Geburtstagsparade in London „Trooping the Colour“ wird heuer wohl wegen der Pandemie ausfallen.
Auf der Suche nach Trost dürfte sich ihr Blick aber auch vor allem nach oben wenden – die Queen ist eine tiefreligiöse Frau. Ihren Glauben beschrieb sie während einer Weihnachtsansprache einmal als den „Anker in meinem Leben“. Und nach unten: Die Monarchin hat sich – womöglich bereits in Vorahnung – erst kürzlich zwei neue Hunde angeschafft, wie britische Medien übereinstimmend berichteten. Palast-Insider sind sich sicher, dass Fergus und Muick der Königin helfen werden, den Verlust ihres Mannes besser zu ertragen. Bei den kurzbeinigen Hündchen soll es sich um Corgis handeln, die Schäferhundrasse aus Wales hat es der Queen besonders angetan.
Was Philip der Queen bedeutet hat, brachte sie in einer Rede anlässlich ihrer goldenen Hochzeit zum Ausdruck: „Er war immer mein Fels und mein Halt. Ich verdanke ihm mehr, als er je für sich reklamieren würde.“ Und Prinz Harry sagte einmal: „Es macht zwar den Eindruck, dass er nur das tut, was er will, doch er ist immer da, und ohne ihn hätte sie es wohl kaum so weit gebracht.“
Natürlich war auch in der königlichen Ehe nicht immer alles eitel Sonnenschein: „Ihre Fähigkeit zur Toleranz musste die Queen in ihrer Ehe immer wieder unter Beweis stellen“, schreibt Paola Calvetti in ihrer soeben erschienenen Biografie „Die Queen – Elisabeth II.: Porträt einer Königin“ (Piper-Verlag). Gerüchte über Affären Philips gab es immer. Sie wurden entweder ignoriert, nicht kommentiert und nach außen hin toleriert. Auch Ehen können an Krisen wachsen.
Leontine von Schmettow bestätigt, welch großen Verlust die Queen mit dem Tod Philips erlitten hat: „Philip war ja auch der Einzige, der sie je als Mensch behandelt hat.“
Was sie heute fühlt, hat die Queen vielleicht vor ein paar Jahren selbst am treffendsten formuliert – in ihrer Rede nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center, die mit den Worten endete: „Trauer ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen.“
CLAUDIA MUSCHIOL